Der gewünschte Gesprächspartner ist zurzeit nicht erreichbar - Teil 1
D. steht vor mir und zeigt auf sein Smartphone. Irgendeine SMS ist auf dem Display zu sehen, natürlich in arabischer Schrift. Mit den Händen macht er mir klar, dass er wohl nicht telefonieren kann, nicht erreichbar ist oder beides und fügt international verständlich hinzu: „Internet okay.“ Also gut, er kommt ins Netz, kann aber nicht telefonieren. Zumindest, wenn ich das richtig verstanden habe. Helfen kann ich ihm trotzdem nicht, aber wozu gibt es Fachleute in Handyläden? Moment mal, gibt es Fachleute in Handyläden? Na, muss ja, denn bei den Hotlines der Anbieter sind diese Fachleute definitiv nicht beschäftigt.
„Kommt, wir fahren in die Stadt, irgendjemand wird uns wohl helfen können“, sage ich zu D. und Rainer, wobei nur letzterer mich versteht. „Geht nicht, meine Mittagspause ist gleich vorbei“, antwortet er zerknirscht. Na gut, dann fahre ich eben mit D. alleine, so lange kann es ja nicht dauern. Noch ahne ich nicht, wie falsch ich mit dieser Einschätzung liegen soll.
Noch zuversichtlich kommen wir beim ersten Mobilfunkanbieter an und ich schildere unser Problem. „Also, mein syrischer Freund kann anscheinend nicht mehr telefonieren, ich weiß aber nicht wieso und kann auch die Nachrichten seines Anbieters nicht lesen. Sie sind doch Fachmann, vielleicht können Sie ja helfen...“ Immerhin sieht der gute Mann sich das Smartphone an und scheint zumindest einen Schritt weiter zu sein als ich. „Das ist ein türkischer Anbieter, glaube ich, und es sieht so aus als muss er einfach nur sein Guthaben aufladen.“ Eigentlich müsste das über E-Plus machbar sein, Prepaidkarten gibt es im Tabakladen nebenan, meint er.
Also gehen wir rüber, die Prepaidkarten gibt es dort tatsächlich. Sicherheitshalber frage ich noch einmal nach, ob das mit dem vermeintlich türkischen Anbieter denn so stimmt, doch sie ist nur die Aushilfe und kann dazu gar nichts sagen. Allerdings ist gegenüber eine Änderungsschneiderei, deren Inhaber ihres Wissens nach türkischer Abstammung ist und vielleicht könne der uns ja helfen.
Wir ziehen wieder ein Geschäft weiter. Ein sympathischer Mann mit Brille sitzt hinter einer Nähmaschine und blickt sofort lächelnd auf als wir reinkommen. „Entschuldigung, wir haben da ein kleines Problem und die Verkäuferin nebenan...“, setze ich an, „sagen sie, sprechen Sie Türkisch, Kurdisch oder Arabisch?“ „Na klar, alle drei Sprachen“, sagt er und lächelt immer noch.
Zuerst unterhält er sich mit D., dessen Miene sich etwas aufhellt, dann wirft er einen Blick auf das Smartphone, schließlich wendet er sich an mich. Es handelt sich tatsächlich um besagten türkischen Anbieter Ay Yildiz, der ihm mitteilt, dass er derzeit nicht mehr ins Ausland telefonieren kann. Von Handys habe er jedoch keine Ahnung und ob E-Plus diesen Anbieter in Deutschland vertritt, weiß er natürlich auch nicht. Allerdings haben Freunde von ihm auch schon einmal eine Prepaidkarte drüben im Tabakladen gekauft. Also müsse es irgendwie gehen.
Während ich mich höflich bedanke, aber noch deutlich skeptisch bin, schnappt der Mann sich seine Jacke und erklärt wie selbstverständlich: „Ich komme eben mit rüber, vielleicht kann ich ja helfen.“ Erst will ich abwehren, ihm auf keinen Fall Umstände machen, doch ich bin zu überwältigt von seiner Hilfsbereitschaft, um zu widersprechen. Damit habe ich nicht gerechnet. Zwar ist der Servicegedanke hier in der Kleinstadt schon deutlich ausgeprägter als in den Metropolen, die immer noch nicht kapiert haben, dass auch sie auf jeden einzelnen Kunden angewiesen sind, wenn sie ihn nicht ans Onlineshopping verlieren wollen, doch dass jemand seine eigene Ladentür abschließt, um völlig Fremden bei einem Problem zu helfen, mit dem er nicht einmal ansatzweise zu tun hat, ist mir neu.
Leider führt auch unser gemeinsamer Besuch im Tabakladen nicht zum Ziel, denn Ay Yildiz sagt der Verkäuferin leider gar nichts. „Vielleicht bei Rossmann, die verkaufen doch auch viele Telefonkarten“, schlägt der Schneider vor. Diesmal halte ich ihn allerdings davon ab, uns auch noch durch die gesamte Innenstadt zu begleiten.
Die Kassiererin bei Rossmann bedauert sehr, dass sie uns nicht helfen kann, empfiehlt uns stattdessen den türkischen Obsthändler, der immer nett und hilfsbereit ist und ja schließlich auch irgendwie telefonieren muss. Na gut, schaden kann es ja nicht, denke ich mir, außerdem lernt D. so gleich die Stadt ein wenig kennen und vor allem einige Menschen, die er möglicherweise mal ansprechen kann, wenn er bei anderen Problemen auf sprachliche Hürden stößt.
Fortsetzung folgt...