Abwarten und Tee trinken

Musik kennt keine Sprachbarrieren - Teil 1

 

Wir sind auf einer Party eingeladen. Vor ein paar Wochen sind die letzten Flüchtlinge aus einer Sporthalle, die als Notunterkunft diente, ausgezogen. Etwa drei Monate waren sie dort untergebracht, fühlten sich wohl und schlossen mit den ehrenamtlichen Helfern sogar Freundschaften. Jetzt hat das DRK zur großen Wiedersehensparty eingeladen. Mit gemeinsamem Kaffeetrinken und Livemusik.

 

Zum Teil bin ich eingeladen, um darüber zu berichten, aber eben nur zum Teil. Zum anderen hat sich herumgesprochen, dass wir eine Flüchtlingsfamilie ganz in der Nähe betreuen und so wurden wir alle eingeladen. Rainer kann leider nicht mitkommen, doch D., F. und vor allem die Kinder freuen sich sehr darauf, einmal rauszukommen und etwas abseits von dringenden Notwendigkeiten zu erleben.

 

Als wir ankommen, werden wir sofort von Anja und Martin begrüßt. Die beiden sind Musiker, jene Musiker, die mit ihrer Band schon in der Sporthalle für Abwechslung gesorgt haben und auch heute hier spielen werden. Ich kenne sie schon lange, mag sie selbst ebenso gerne wie ihre Musik und freue mich auf den Nachmittag. F., D. und die Kinder sehen sich noch etwas abwartend an, schließlich wissen sie noch nicht, was sie erwartet.

 

 

Erst einmal Tee und Kaffee und Kuchen. Doch als die Kinder sich noch ein Stück aussuchen und ich auch F. klarmache, dass sie und D. sich etwas nehmen dürfen, werde ich erst einmal vom Verantwortlichen des DRK zur Seite gezogen, der sich offenbar verpflichtet fühlt, die Presse mit Informationen zu versorgen. Ist ja nett gemeint und ich höre ihm auch gerne zu, nur sehe ich aus dem Augenwinkel immer wieder zu dem Tisch hinüber, an dem die Kinder ihren Kuchen in sich hineinschaufeln, ihre Eltern aber wie Falschgeld daneben sitzen.

 

Von Flüchtlingen und Helfern sei die Idee zu diesem Fest gekommen, man habe alle eingeladen, die innerhalb der drei Monate in der Sporthalle untergebracht waren und tatsächlich seien die meisten auch gekommen, manche sogar aus weiter entfernten Orten, denen sie im Rahmen des Asylverfahrens zugewiesen wurden. So sehr mich das auch beeindruckt, so sehr möchte ich mich jetzt erst einmal zu D. und F. setzen und sie mit Kaffee versorgen. Ich entschuldige mich so höflich wie möglich, doch gerade ist mir das Ehrenamt mal wichtiger als der Job.

 

Zum Glück findet sich bald jemand, den die beiden aus ihren ersten Stunden beim Sprachkurs kennen und auch noch jemand, der uns beim Übersetzen hilft, so dass wir wenigstens ein wenig Smalltalk machen können. Drei Monate waren D., F. und die Kinder selbst in einer Erstaufnahmestelle untergebracht, bevor ihnen gesagt wurde, dass sie jetzt nach Osterode ziehen müssen. Sie wissen noch nicht viel über die Stadt, wollen wissen, wie groß sie ist und ich merke, dass ich ihnen noch viel zeigen muss. Dann fragen sie auch wieder nach Zugverbindungen nach Hannover oder Dortmund, wo sie Landsleute kennen. Auch darum werden wir uns kümmern müssen.

 

 

Da sie sich mit anderen syrischen Gästen irgendwann in ihrer Muttersprache unterhalten, nutze ich die Zeit, um mir die aufgebauten Stellwände anzusehen. Bilder von den „Bewohnern“ der Sporthalle sind darangeheftet. Zum Teil sind es Informationen über die Herkunftsländer in verschiedenen Sprachen, zum Teil Zeichnungen, das meiste allerdings sind Dankesbriefe. Dort wird sich für die herzliche Aufnahme bedankt, für die Zeit, die die Ehrenamtlichen geopfert haben, und die wiederum bedanken sich für Begegnungen, die sie ohne die Notunterkunft nie hätten erleben können.

 

Das alles ist so anders als das, was ich oft im Fernsehen oder in den Zeitungen zu sehen bekomme. Es ist ein deutliches Zeichen von Menschlichkeit, von gegenseitigem Aufeinanderzugehen. Ich stelle fest, dass es viel mehr dem entspricht, was auch ich empfinde als die angeblich allgegenwärtige Angst, die die Flüchtlinge bei vielen Menschen auslösen. Dass es die auch gibt, ist mir vollkommen bewusst, doch ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie stärker sein soll als die Anteilnahme an Schicksalen und auch die Neugier auf die, die da zu uns kommen.

 

Die ersten Klänge der Band reißen mich aus meinen Gedanken. Ich schnappe mir S. und A. und stelle mich mit den beiden Mädchen vor die improvisierte Bühne. M. ist auf dem Arm seiner Mutter eingeschlafen, wird jetzt aber wach und findet das, was um ihn herum passiert unglaublich spannend. Ist es ja auch. Vielleicht ist das, was Anja, Martin und die anderen spielen nicht das, was man in Afghanistan, Syrien oder Nordafrika so hört, doch es ist tolle Musik und die scheint schnell allen zu gefallen.

 

Fortsetzung folgt...