Als ich den Hund von Eva Herman auf dem Schoß hatte - Teil 2
Besonders absurd klingen all diese Aussagen vor dem Hintergrund gerade dieser Veranstaltung. Im Folgenden wird nämlich erklärt, dass der Erlös von nun an vermehrt auch Flüchtlingskindern zugute kommen soll, Sprachkurse und Therapien zur Traumabewältigung sollen finanziert werden. Außerdem tritt der Musiker Volker Schlag auf und singt: „Flieg, Käfer, flieg, Vater ist im Krieg, Mutter ist in Pepperland, Pepperland ist abgebrannt.“ Einigen, die Herman und Popp zuvor noch applaudiert haben, treibt es bei dem Song die Tränen in die Augen.
Zum Schluss tritt noch der aktuelle Supertalent-Gewinner auf. Jay Oh sieht seinen Sieg bei der Fernsehshow erstaunlich nüchtern, denn eigentlich ist er Sozialarbeiter und fühlt sich wohl in seinem Job. Er spricht auch über seine koreanischen Wurzeln. Seine Eltern kamen vor vierzig Jahren nach Deutschland, er wurde hier geboren. Genau diese Verhaftung in zwei Kulturen helfe ihm in seinem Job oft, Vertrauen aufzubauen und Probleme zu verstehen, die jemand ohne Migrationshintergrund vielleicht nicht so gut nachvollziehen kann.
Am Ende des Abends bleibt bei mir ein schaler Nachgeschmack. Irgendwie amüsiere ich mich, dass Eva Herman trotz ihrer Sorge um die rein deutsche Bevölkerung mit ihrem Auftritt Projekte für Flüchtlingskinder mitfinanziert, zum anderen lassen mir ihre reichlich kruden Aussagen aber auch keine Ruhe. Immerhin bezeichnete sie meine Kollegin S. und mich ja als „die versammelte Weltpresse“ und fordert alle Journalisten dazu auf, nicht alles zu glauben, sondern sich selbst ein Bild zu machen.
Bei Youtube verschaffe ich mir erst einmal ein Bild über sie und Andreas Popp. Nicht nur Schwarz auf Weiß, sondern in Farbe und bewegten Bildern. Tatsächlich gibt es eine Menge Videos aus dem eigenen Hause, das den wohlklingenden Namen Wissensmanufaktur trägt, inklusive Talkshows und sogenannter Enthüllungen. Nach und nach wird mir klar, wie die beiden die Welt sehen. So behauptet sie beispielsweise, Flüchtlinge würden in Europa von den Hilfsorganisationen bei ihrer Einreise mit Smartphones ausgestattet, damit sie alle untereinander vernetzt sind. Ich denke kurz daran, wie ich D. geholfen habe, für sein Handy den passenden Anbieter zu finden, damit er in die Heimat telefonieren kann und frage mich, was ich wohl laut Eva Herman damit angerichtet habe.
Die Schleuser, die die Flüchtlinge ins Land bringen, sind nämlich von den USA finanziert, und die wiederum wollen Europa destabilisieren, um ihre eigene Weltherrschaft zu festigen. Auch Andreas Popp ist der Meinung, dass die Welt gezielt in Brand gesetzt wird, um die Vormachtstellung der USA zu gewährleisten. Daran ist ja vielleicht sogar ein Fünkchen Wahrheit und erst recht an seiner These, dass das Geldsystem die Geschicke der Welt mehr regiert als jedes politische.
„Grund allen Übels ist die menschliche Gier“, sagt er und darin stimme ich ihm uneingeschränkt zu. Nur die Schlussfolgerungen, die der Klardenker daraus zieht, erscheinen mir allerdings ziemlich nebulös. So führt er zum Beispiel aus, dass wir mit unseren Waffen gezielt Länder in der arabischen Welt destabilisieren, um ganz bewusst Flüchtlinge zu erzeugen, die dann in unser Land kommen und hier die existierende Bevölkerung ersetzen sollen. Das alles sei doppelter Völkermord, erläutert er in verschwurbelten Sätzen, die, einmal aufgedröselt, noch absurder klingen als beim ersten Hören.
Grundsätzlich kann ich mich für Verschwörungstheorien ja durchaus begeistern. Mir gefällt die Vorstellung, dass in der Wüste von Nevada Außerirdische vor der Welt versteckt werden und ich freue mich, dass Rainer jedes Wochenende zu seiner Frau nach Bielefeld fährt, obwohl die Stadt ja angeblich nicht existiert. Bis jetzt ist er immer noch wieder zurückgekommen. Doch die Theorien von Andreas Popp beinhalten einigen Sprengstoff, dessen er sich bewusst sein müsste, auch wenn er beteuert, als Wissenschaftler natürlich nicht die „Unterschichten“ bedienen zu wollen.
Wenn Eva Herman davon spricht, der Flüchtlingsstrom führe unweigerlich dazu, dass deutsche Hauseigentümer mit humanitären Argumenten enteignet werden, um die neue Bevölkerung unterzubringen, dann ist das für mich geradezu ein Musterbeispiel dafür, wie aus der rechten Ecke Ängste geschürt werden, die die Fremdenfeindlichkeit anfachen. Und wenn sie als weiteres Argument anführt, dass Flüchtlingskinder durch die Entwurzelung eine Psychose erleiden, dann ist das nichts anderes als mit scheinheiliger Fürsorglichkeit getarnter Rassismus in seiner deutlichsten Form.
Liebe Eva Herman, Ihren süßen Hund nehme ich gerne mal wieder auf den Schoß. Aber ich habe besseres zu tun als mir noch einmal Ihre Aussagen und Ansichten anzuhören. Lieber kümmere ich mich um unsere Flüchtlingsfamilie, die zum Glück keine Psychose erlitten hat, sondern dem lebensbedrohenden Terror in ihrer Heimat entkommen und bei uns in Sicherheit ist.