Was du heute kannst entsorgen...

Die deutscheste aller Tugenden ist die Mülltrennung - Teil 2

 

In der ersten Woche klappt sogar wirklich alles gut und die blauen Behelfssäcke werden anstandslos abgeholt. In der zweiten Woche zieht allerdings eine Familie aus Afghanistan in die Wohnung unter F. und D., eine Familie, die logischerweise auch keinen Schimmer von deutscher Mülltrennung hat. Und die Mülltonnen sind leider immer noch nicht da. Inzwischen werden es ziemlich viele blaue Säcke, die an die Straße zu stellen sind.

 

Eine Bekannte hat mir in der Zwischenzeit von ihrem letzten Ägypten-Urlaub erzählt, bei dem sie in den Einkaufstraßen vom Kairo überall Müll am Straßenrand gesehen habe und selbst auf dem Weg zu den Pyramiden noch. „Unser deutsches System der Mülltrennung gibt es in vielen Ländern nun einmal nicht und genauso wie wir schockiert vom dortigen Müll am Straßenrand sind, müssen sich viele Flüchtlinge logischerweise hier umstellen“, fasst sie kühl zusammen. In den kommenden Tagen wünsche ich mir noch mehrmals, dass viel mehr Leute das Problem so nüchtern betrachten wie sie.

 

Stattdessen werden wir inzwischen sogar von anderen Nachbarn auf Überreste eines wohl aufgeplatzten blauen Sacks auf dem Gehweg angesprochen. Das gehe so nicht, schließlich spielten ja auch Kinder in der Straße und irgendwann kämen dann die Ratten. Wir sollten uns doch an den Landkreis wenden, dort könnten wir Mülltonnen beantragen. „Keine Sorge, die Vermieter haben das bereits getan, es wird also so nicht mehr vorkommen“, sage ich und hoffe, dass die nette Nachbarin zwischen den Zeilen herausgelesen hat, dass eigentlich nicht ich der Adressat für ihre Beschwerde bin.

 

 

Als ich mit D. sowieso in der Stadt unterwegs bin, fahren wir kurz beim Landkreis vorbei, um zu fragen, wann wir denn mit den Tonnen rechnen können, da sich die blauen Säcke mittlerweile im Hausflur stapeln. „Also eigentlich geht das sehr schnell. Wann haben sie die Tonnen denn beantragt?“, hakt die Dame vom Amt nach. Da ich ihr die Frage natürlich nicht beantworten kann, sieht sie im Computer nach, vergewissert sich noch einmal, dass ich ihr die richtige Adresse genannt habe und offenbart mir dann, dass die Vermieter bis jetzt leider noch keinen Antrag gestellt haben. Gut, sie sind wohl zwischen all seinen anderen Heldentaten und ihrer uneingeschränkten Loyalität noch nicht dazu gekommen.

 

Was dann passiert, hätte ich im bürokratischen Deutschland nie für möglich gehalten. „Wie viele Personen wohnen denn jetzt insgesamt in dem Haus, wissen Sie das?“ Ich antworte pflichtschuldig, ohne zu ahnen, worauf sie hinaus will. „Und wie war noch gleich der Name des Vermieters?“ Nachdem sie den Namen in den Computer getippt hat, sieht sie mich lächelnd an und erklärt: „Okay, die Vermieter haben jetzt Tonnen beantragt, die müssten dann übermorgen geliefert werden. Wenn es nicht klappt, rufen Sie mich einfach noch mal an, ich kenne den Fall ja jetzt.“ Dazu drückt sie mir noch zwei Rollen gelbe Säcke in die Hand.

 

Tatsächlich sind die Tonnen dann auch zwei Tage später da und ich möchte mir fast schon selbst ein Superman-Kostüm zulegen. Allerdings wäre das schon eine Woche später in der Restmülltonne gelandet, denn die wurde natürlich ebenso wie aller anderer Müll nicht abgeholt. Zuerst ist es Rainer, der mir am Telefon erzählt, die Vermieterin habe ihn deswegen angerufen und uns gebeten, F. und D. die Mülltrennung noch einmal zu erklären. Als ich D. tags darauf abhole, weil wir irgendetwas anderes beim Sozialamt zu klären haben, fängt sie mich ab, öffnet die Tonnen und hält mir einen ausschweifenden Vortrag darüber, was wo hinein gehört.

 

 

„Ja, wir kümmern uns drum, das verspreche ich, aber jetzt muss ich los, weil das Amt sonst schließt.“ Die Ausrede, die nicht einmal eine ist, beeindruckt sie wenig. „Aber das geht so nicht, der Müll muss ordentlich getrennt werden, die haben das diese Woche nicht mitgenommen und werden es so auch nächste Woche so nicht mitnehmen und das wird am Ende eine Riesenschweinerei, weil die da knallhart sind und...“, redet sie ohne Pause weiter. Irgendwann schnappe ich mir D. und wir fahren einfach los.

 

Im Auto ärgere ich mich dann über mein devotes Verhalten, denn schließlich könnte sie sich ja genauso gut um das Problem kümmern. Wenn ich meinen Müll nicht anständig trenne, ist es schließlich auch meine Vermieterin, die mir aufs Dach steigen muss und nicht irgendein ehrenamtlicher Mülltrennbeauftragter wider Willen.

 

Trotzdem fahre ich nach unseren Besorgungen in der Stadt mit D. noch beim Landkreis vor, wo ich noch einmal nach den tollen mehrsprachigen Plakaten zur Mülltrennung frage. Inzwischen fühle ich mich ziemlich mies, weil ich ganz am Anfang noch darüber lächelte, dass man sich damit brüstete, diese Plakate in acht oder neun verschiedenen Sprachen kostenlos zu verteilen. Mittlerweile bin ich fest davon überzeugt, dass damit sogar ein Bürgerkrieg in Deutschland verhindert werden kann.

 

Fortsetzung folgt...