Mehr Licht, weniger Salz - Teil 2
Somit kann ich durchaus verstehen, dass die Lampe D. und F. nicht gefällt, allerdings waren wir alle erst einmal froh, dass sie überhaupt vorhanden war. Nun geht es den beiden jedoch gar nicht um Geschmack, sondern um die Helligkeit. „In Syrien sind Lampen heller“, macht er uns klar. Und vermutlich schöner, füge ich in Gedanken hinzu und bleibe bei dieser Auffassung bis D. anfängt, mein Bildwörterbuch zu wälzen.
Als er schließlich gefunden hat, was er sucht, hält er uns das Bild einer schlichten Neonröhre unter die Nase und fragt, wo er so eine kaufen könne. Rainer und ich sehen uns fragend an. Meint er das gerade ernst? Will er sich tatsächlich eine Neonröhre ins Wohnzimmer hängen? Das wäre dann definitiv der Gegenentwurf zur typisch deutschen Gemütlichkeit der 80er. Trotzdem versprechen wir natürlich, am nächsten Tag mit ihm in den Baumarkt zu fahren und uns dort einmal umzusehen.
Gesagt, getan und so durchstöbern wir tags darauf zu dritt die Lampenabteilung, die von farbigen, blinkenden LEDs bis hin zum Fake-Kronleuchter nahezu alles zu bieten hat. D. sieht sich alles an, doch schüttelt immer wieder den Kopf. Er möchte eine helle Lampe, sagt er und zeigt mit den Händen eine lange Röhre. Dann entdeckt er in einer Ecke tatsächlich einen unscheinbaren Pappkarton mit schlichten Neonröhren für fünf Euro darin. Super Sonderangebot, weil die vermutlich eh kaum jemand kauft, und wenn, dann nur für die Garage oder so.
Doch D. strahlt übers ganze Gesicht, versichert uns noch mehrfach, dass das genau die Wohnzimmerlampe ist, die er sich vorstellt und wir begleiten ihn schließlich zur Kasse. „Hast du sowas schonmal anmontiert?“, fragt mich Rainer. „Nö, du?“ Okay, dann gilt es also, das nächste Problem in Angriff zu nehmen.
Rainer ruft nun seinen Bruder an, der verspricht, noch heute herzukommen. Er habe eigentlich schon die ganze Zeit gehofft, dass er auch einmal helfen kann, sagt er, um sich selbst um eine Flüchtlingsfamilie zu kümmern, fehle ihm die Zeit, doch er findet unser Engagement so gut, dass er sofort alles stehen und liegen lässt. Sowas gibt es eben auch.
Die Zeit, die er bei der Anfahrt eingespart hat, haben wir aber schon bald wieder raus. Natürlich lässt sich die Lampe nicht so einfach anbringen, wie wir zunächst dachten. Theoretisch geht es nur darum, auszumessen, wo genau sie unter die Decke soll, die Anschlüsse durch die Halterung zu fummeln und dann zwei Löcher zu bohren. Leider ist günstig eben manchmal auch billig, was in diesem Fall bedeutet, dass die Halterung aus ziemlich biegsamen Plastik ist und sich schon dann komplett verzieht, wenn wir die Kabel hindurchfriemeln. Dadurch ist sie in sich schief, die Löcher für die Schrauben stimmen nicht mehr mit unseren Markierungen überein und überhaupt sind die Schrauben viel zu dick für die vorgefertigten Löcher.
„Was habt ihr da eigentlich für einen Scheiß gekauft“, fragt Rainers Bruder nun schon zum dritten Mal und inzwischen bricht sogar D. mit uns in schallendes Gelächter aus, weil er einen neuen deutschen Satz gelernt hat und vielleicht auch etwas über die Qualität deutscher Sonderangebote in Baumärkten. Jedenfalls stehen jetzt seit fast einer Stunde vier Männer um eine Plastiklampe herum und verzweifeln langsam, weil alles nicht so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben.
Die Kabel sind störrisch und wollen einfach nicht in den dafür vorgesehenen Halterungen bleiben, die mitgelieferten Schrauben sind inzwischen durch andere ausgetauscht, die nicht nur durch die Löcher passen, sondern sogar noch lang genug sind, um in der Decke stecken zu bleiben und überhaupt sieht die ganze Lampe nun nicht mehr einfach und schlicht, sondern sehr modern gewunden aus. Die Leuchtstoffröhre passt nun allerdings nicht mehr rein. Also muss das Teil noch einmal ab, zurechtgebogen werden, die Kabel anders herum hinein, dann wieder an der Decke fixiert werden und so festgeschraubt, dass sie nur noch in der Mitte etwa zwei Zentimeter durchhängt.
Immerhin aber hängt sie und D. ist auch noch glücklich. Er hat jetzt mehr Licht und wenn ich ehrlich bin, ist das vom Prinzip her tatsächlich praktischer als die düstere 80er-Jahre-Funzel. Über Geschmack lässt sich ohnehin streiten und ich erinnere mich noch an die entsetzten Gesichter meiner Eltern, als ich mir damals eine Schwarzlicht-Neonröhre in mein Zimmer hängte. Rückblickend war die vermutlich schlimmer als das krumme Ding, das jetzt bei F. und D. im Wohnzimmer hängt.
„Wie können wir dir danken?“, fragen wir schließlich noch Rainers Bruder, doch der winkt großzügig ab. „Braucht ihr nicht“, sagt er, „wenn überhaupt, dann ladet mich irgendwann mal zu 'nem Bier ein und alles ist gut.“ Rainer und ich sehen uns an, fangen an zu lachen und sagen dann fast gleichzeitig: „Glaub uns, das willst du nicht wirklich...“