Nur mit Übersetzer

Ärger mit Ärzten - Teil 3

 

Na gut, immerhin etwas. Die erste richtig positive Überraschung erleben wir dann allerdings in der Apotheke. Eine junge Asiatin bedient uns und sobald sie merkt, dass F. im Deutschen nicht ganz sicher ist, läuft sie erst einmal nach hinten. „Das hier ist eine Liste, auf der Dosierungshinweise und solche Dinge in verschiedenen Sprachen stehen“, erklärt sie als sie mit einem Formular zurückkommt. „Diese Tabletten“, sie deutet auf eine der Schachteln, die sie ebenfalls mitgebracht hat, „müssen einmal am Tag genommen werden, am besten auf nüchternen Magen. Und diese sollte sie dreimal am Tag, zu jeder Mahlzeit nehmen.“ Dann macht sie auf dem Formular einige Kreuzchen, zeigt es F. und wartet auf deren verstehendes Nicken. Manchmal kann die Sprachbarriere eben auch ganz einfach überwunden werden.

 

 Eine Weile geht es mit den Tabletten gut und F. meint auf unsere Nachfragen immer, es gehe ihr wieder gut. Jedenfalls ein paar Wochen lang sagt sie das, dann klagt sie plötzlich erneut über Schmerzen. Wieder im Unterleib. Und natürlich versprechen wir sofort, ihr zu helfen.

 

Diesmal ist es Rainer, der bei seinem Hausarzt anruft, um einen Termin zu machen. Ich verlasse mich darauf, dass alles gut geht, denn mit dem, was kommt, hätte ich tatsächlich nie gerechnet. Einige Stunden später ruft Rainer mich an und regt sich tierisch auf. Es dauert eine Weile, bis ich zwischen allem Fluchen heraushören kann, was eigentlich vorgefallen ist. „Die Ärztin sagte, sie würde gerne einen Termin machen, aber nur, wenn wir einen Übersetzer mitbringen.“ „Wo sollen wir den denn so schnell hernehmen?“, frage ich, „Da müssen wir doch auch erst einen Antrag bei der Stadt stellen. Und F. hat schließlich Schmerzen.“

 

 

Rainers Wut kann ich nur zu gut verstehen, doch er setzt noch einen drauf. „Nun kenne ich die Praxis ja und darum sagte ich, dass eine der Sprechstundenhilfen doch Türkin ist, ob sie denn nicht übersetzen könne“, er macht eine unheilvolle Pause, „da meinte die Ärztin, es könne ja wohl nicht Aufgabe ihrer Angestellten sein, als Übersetzer zu fungieren.“ Während er noch ein wenig flucht, bin ich einigermaßen sprachlos. Rein arbeitsrechtlich hat die Frau vielleicht ja sogar alle Argumente auf ihrer Seite, aber so wenig Hilfsbereitschaft von jemandem, dem der hippokratische Eid etwas bedeuten sollte, macht auch mich ziemlich sauer.

 

Bockig, und vielleicht auch, weil wir uns dem Stress nicht aussetzen wollten, verspreche ich, bei einem anderen Arzt einen Termin zu machen, einem, der einen ausländisch klingenden Namen hat. Vielleicht haben wir dort mehr Glück. Ich rief an, habe eine nette weibliche Stimme am anderen Ende, nenne meinen Namen. Soweit alles gut. Dann allerdings sage ich ihr, dass ich nicht für mich, sondern für eine Syrerin, die wir betreuten, einen Termin bräuchte. „Oh, das tut mir leid, aber der Doktor nimmt im Moment gar keine neuen Patienten mehr auf“, bekomme ich daraufhin zur Antwort und das Gespräch ist beendet.

 

Jetzt werde ich richtig sauer. Dass ich dann bei einer dritten Ärztin anrufe und es dort mit einem Termin für F. klappt, ist mir gar nicht mehr so wichtig. Viel wichtiger sind mir die folgenden Termine, zuerst mit meiner Chefin, die mir grünes Licht gibt, und dann offiziell als Journalist, dem ganz zufällig schlimme Zustände bei der Behandlung von Flüchtlingen zu Ohren gekommen sind, zuerst bei Rainers Hausarzt, um mir deren Version der Geschichte anzuhören und dann beim Sprecher der hiesigen Ärzteschaft.

 

 

Normalerweise spiele ich die Pressekarte in persönlichen Fällen ungern aus, doch diesmal kann ich mich nicht zurückhalten. Der Hausarzt versichert mir, dass meine Informationen natürlich nicht ganz korrekt seien, so habe sich das alles nicht zugetragen. Selbstverständlich würden sie jedem Patienten helfen, erst recht, wenn es um akute Schmerzen gehe. Seine Frau habe in diesem Fall, den er persönlich natürlich nicht genau kennt, sicher nur dazu geraten, einen Übersetzer mitzubringen, damit alles reibungsloser läuft.

 

Der Sprecher der Ärzteschaft versichert mir wenig später, dass ein Fall, wie ich ihn schildere natürlich nicht passieren dürfe und er sich das hier auch nicht vorstellen könne. „Meine Informationen besagen etwas anderes und Sie müssen verstehen, dass wir einer solchen Geschichte im Sinne des öffentlichen Interesses nachgehen müssen“, kontere ich. Unter Ärzten gebe es genau wie in Apotheken Vordrucke in unterschiedlichen Sprachen, die die Kommunikation erleichtern, erklärt er mir und er sei natürlich gerne bereit, mir das in einem Pressegespräch einmal zu erläutern.

 

Auf das Pressegespräch warte ich bis heute. Die ersten beiden Termine, die ich mit ihm mache, muss er leider aus dringenden medizinischen Gründen absagen, doch er verspricht, sich umgehend wieder bei mir zu melden, wenn er Zeit findet. Die Zeit sucht er wohl immer noch und leider ist meine Wut inzwischen auch weitestgehend verraucht, so dass ich nicht mehr nachhake. Bringt ja leider letztlich sowieso nichts. Zumindest habe ich auch schon von etlichen anderen gehört, dass sie ähnlichen Stress mit Ärzten hatten, die sich wohl solange wie möglich weigern, ein zweisprachiges Patientengespräch zu führen.

 

Außerdem überwiegt in unserem speziellen Fall am Ende tatsächlich das Positive. Ihren Termin hat F. nämlich schließlich bei einer Frauenärztin und deren Diagnose lautet: in neun Monaten werden sich die Unterleibsschmerzen von selbst erledigt haben.