Am Ende nix gewesen

Erst Schweigen, dann Schweiger - Teil 2

 

Immerhin verurteilte Gabriel in seiner Mail an mich schon damals scharf all diejenigen, die in sozialen Medien Hasskommentare schrieben und nicht zuletzt bei hier Ankommenden das Bild eines kaltherzigen und Ausländer hassenden Volkes entstehen lassen könnten. Dennoch dauerte es bekanntlich einige Jahre, bis der Bundestag sich mit dem Thema befasste und versuchte, diese Einstellung in einen ziemlich umstrittenen Gesetzesentwurf zu pressen.

 

Nun denn. Alles, was die Aufnahme von Flüchtlingen erleichterte, die Bürokratie in jener Zeit kurz- oder langfristig herunterschraubte und die überfüllten Erstaufnahmestellen entlastete, damit Menschen dort nicht unwürdig auf engstem Raum zusammengepfercht werden mussten, begrüßte er ausdrücklich und schloss damit zwischen den Zeilen auch Til Schweigers medienwirksamen Vorstoß für eine Vorzeige-Unterkunft in Osterode ein.

 

Andere Lokalpolitiker sahen das ganz ähnlich und in dem Projekt insbesondere auch eine Chance für die Stadt, die damit in einem jetzt leerstehenden Gebiet eine ganz neue Infrastruktur bekäme. Das alles erstaunte mich wenig, deutlich mehr schon, dass die Gegenseite, die besorgten Anwohner, sich in dieser Zeit nur sehr verhalten äußerten. Zwar gab es in den sozialen Medien hin und wieder ziemlich eindeutige Kommentare unter den entsprechenden Pressemitteilungen, doch vergleichsweise wenig, zumindest viel weniger als ich befürchtet hatte.

 

 

Insgesamt schien in jenem Sommer in ganz Deutschland ja einiges in Bewegung gekommen und statt rechter Parteien wuchs erst einmal die Hilfsbereitschaft und das ehrenamtliche Engagement für Flüchtlinge. Die kaltherzigen Deutschen waren also deutlich in der Minderheit und ich kann bis heute nur immer wieder sagen, wie sehr mich das beeindruckte.

 

Letztlich war das auch die Zeit, in der in mir der Wunsch aufkeimte, selbst etwas zu machen. Nicht nur über die alte Kaserne zu schreiben, sondern mich bei ihrem Umbau zu einer kurzfristigen Heimat für Flüchtende selbst einzubringen. Immerhin wurde von einigen Stellen deutlich gesagt, es würden auch ehrenamtliche Helfer benötigt und ich hatte das Gefühl, viele in unserer Stadt wollten sich gerne engagieren.

 

Leider waren die besorgten Bürger nicht die einzigen, von denen man wenig hörte, sondern auch der Besitzer des Geländes, der ja angeblich in so engem Kontakt mit Til Schweiger stand und seine Pläne voll unterstützte. Doch erst einmal passierte nichts. Keine beginnenden Umbaumaßnahmen und auch keine Interviews mit der Presse, wann es denn nun endlich losging.

 

Auch ich hatte mehrfach versucht, den Mann zu erreichen, am Telefon hatte er mir sogar ein Treffen auf dem Kasernengelände zugesagt, zu dem er dann aber leider nicht erschien. Allmählich griff die Vermutung um sich, er habe mit dem großen Medienwirbel nur die Preise hochtreiben wollen, doch Stadt und Land seien nicht darauf eingegangen. Dann wiederum hieß es, seine Firma sei schon lange insolvent und er habe ausschließlich einen Weg gesucht, um an Kohle zu kommen. Nun will ich mich dazu nicht weiter auslassen, Fakt ist nur, dass am Ende aus unserem Vorzeige-Flüchtlingsheim nichts wurde.

 

 

In der Zeitung hieß es irgendwann, in den alten Gebäuden seien Asbest und andere Giftstoffe gefunden worden, so dass eine Unterbringung von Menschen dort unmöglich wäre. Allerdings gab es auf den Gelände eine Sporthalle, die immer noch von einem privaten Betreiber genutzt und inklusive Hüpfburg und anderen Spielgeräten für Kindergeburtstage vermietet wurde. Ich sprach mit dem Mann, der über die angeblichen Giftstoffe nur herzlich lachen konnte und sich sicher war, man hätte ihm sein Unternehmen schon längst dicht gemacht, wenn es dort Anzeichen einer Gefährdung gäbe.

 

Til Schweiger immerhin setzte sein Projekt schließlich in Osnabrück um, in einem alten Bundeswehrkrankenhaus. Für einen letzten Presseartikel dazu telefonierte ich mit einer Journalistin in meiner alten Heimat, die mir über den schnellen Fortschritt der dortigen Umbauarbeiten berichtete und zudem erzählte, dass es auch in der deutlich größeren Stadt damals eine große Welle der Hilfsbereitschaft gab, während die kritischen Stimmen deutlich in der Minderheit blieben. So wurde immerhin am Ende doch noch Menschen geholfen und ich werde die Geschichte daher irgendwie in guter Erinnerung behalten.

 

 

Nachtrag: Zufällig habe ich durch einen guten Freund aus Osnabrück gerade erfahren, dass einige Flüchtlinge in der dortigen Einrichtung auch heute - fast zwei Jahre nach der Eröffnung - noch immer in Containern leben. Angesichts deutlich gesunkener Zuwanderung seit 2015 und den damaligen vollmundigen Versprechungen hat mich das tief erschüttert und ich wollte es zunächst nicht glauben. Doch erst jetzt läuft dort eine Ausschreibung, wer denn die Räumlichkeiten einrichten kann, um das bisherige Provisorium zu beenden.