Ein Paradies für Kinder

Heaven is a Place on Earth - Teil 1

 

Manchmal ist es so einfach. Beim Einkaufen entdecke ich zufällig Stoffbälle mit Smiley-Gesichtern drauf und nehme einfach mal drei mit. Zwar bin ich fest davon überzeugt, dass die Kinder sich streiten werden, wer welche Farbe bekommt, aber da kein Rosa dabei ist, könnte es sein, dass die Mädchen sich nicht die Köpfe abreißen. Und wenn doch, dann haben sie ja immerhin einen Smileyball, den sie sich stattdessen auf den Hals setzen können.

 

„Was ist in der Tüte?“, fragt S. als sie mir die Tür öffnet. Schon als ich das erste Mal irgendetwas für die Kinder in einer Tüte mitgebracht hatte, war ich total erstaunt, dass sie meine Antwort: „Das zeige ich euch erst später“ so einfach akzeptierten. Während es mit F. und D. irgendetwas zu klären gab und die Kinder sich langweilten, stand die Tüte die ganze Zeit im Flur herum, aber keines der Kinder hatte sie heimlich ausgepackt. Und auch jetzt begrüßen die drei mich erst einmal mit einer Umarmung und erzählen, was es im Kindergarten so Neues gibt, ohne dabei zu quengeln.

 

Allerdings spanne ich sie auch nicht lange auf die Folter und packe die weichen Bälle aus, mit denen ich sie gleich mal bewerfe. Sofort geht das wilde Spiel durchs Wohnzimmer los und es dauert eine ganze Weile, bis S. ihrer Schwester gegenüber deutlich macht, dass der gelbe Ball ihrer ist. A. mag den grünen aber ohnehin viel lieber und M. gibt sich mit dem blauen zufrieden. So weit, so gut.

 

Viel spannender wird es allerdings als D. dazukommt, A. im Vorbeigehen den Ball wegnimmt und ihn mit einem geschickten Wurf in der immer noch auf dem Tisch stehenden Papiertüte versenkt. Kein Gezeter, kein Streit, sondern sofortige Begeisterung. „Papa halt die Tüte mal hoch!“, fordern die Kinder und sofort spielen wir eine Runde Basketball. Danach halte ich die Tüte, F. kommt dazu und es geht weiter.

 

 

Da heißt es immer, Kinder könnten sich heute nicht mehr beschäftigen und kämen nicht mehr ohne elektronisches Spielzeug aus. Wer setzt solche Lügen in die Welt? Mit Enthusiasmus und ein bisschen Fantasie sind Kinder so leicht zu begeistern, und sei es für eine alte Papiertüte. Ich glaube, wichtig ist bloß, dass wir ihnen genug Raum zum Spielen bieten und ihre Bedürfnisse ernst nehmen.

 

Um genau die, die Bedürfnisse der Kinder, ging es Rainer und mir auch als wir unseren Plan ausgeheckt haben. „In letzter Zeit habe ich das Gefühl, wir füllen nur noch Formulare aus und regeln alles, was nötig ist“, sagte er neulich zu mir, „und eigentlich habe ich mir das ein wenig anders vorgestellt.“ Geht mir ganz genauso. All der Papierkram ist zwar wichtig und ich weiß immer noch nicht, wie das Familien schaffen, die niemanden um Hilfe bitten können, aber eigentlich wollen wir unseren Fünfen mehr bieten als nur Unterstützung im deutschen Bürokratiedschungel.

 

„In Bad Sachsa gibt es einen Indoor-Spielplatz“, fiel mir irgendwann ein. Rainer war sofort begeistert, wir beschlossen, ein Wochenende abzuwarten, wenn Monika herkommt und dann alle gemeinsam dorthin zu fahren. Der Termin wurde gemacht, D. und F. verrieten wir nicht, worum es ging und sagten nur, es werde eine Überraschung für die Kinder. Eine Überraschung für ich war es als Rainer mir dann vor zwei Tagen sagte, wir könnten für solche Aktionen beim Paritätischen Unterstützung beantragen. Dort gäbe es nämlich einen Fördertopf für Freizeitaktionen, die Paten mit ihren Flüchtlingsfamilien machen.

 

 

Heute war es nun also soweit und als Monika und Rainer ankamen, verteilten wir die Kinder und uns Erwachsene auf unsere zwei Autos und fuhren los. Kaum waren wir aus der Stadt raus, fing S. auf dem Rücksitz an zu quengeln. Meine Musik stört sie, ob es denn noch lange dauert und warum wir denn langsamer fahren als Rainer und Monika. Im Falle der Musik muss ich ihr zustimmen. Meine CD von Unzucht ist noch im Player und Dark Rock ist vielleicht wirklich nicht das, was man auf der Fahrt ins Kinderparadies hören sollte. Die Bollywood-CD kommt deutlich besser bei ihr an, vor allem, weil ich kurz darauf etwas Gas gebe und Rainer überhole.

 

Da verkürzt sich die Fahrtzeit von ganz allein und kurz darauf halten wir auch schon im Parkdeck, suchen den Eingang und stehen nach ein paar Schritten vor einer Welt aus Klettergerüsten, Rutschen, Trampolinen und anderen Gerätschaften, die die Kinder sofort magisch anziehen. „Könnten Sie erst noch die Schuhe ausziehen“, werden wir von der netten jungen Dame am Empfang noch gebeten, dann stürmen S., A. und M. auch schon los. Wir Erwachsenen setzen uns an einen der Tische, bestellen erst einmal Kaffee und freuen uns auf einen entspannten Nachmittag.

 

Erst einmal geht das auch gut. Die Kinder toben wir alle anderen auch, die Halle ist überschaubar groß und auf dem Boden größtenteils mit weichen Matten ausgestattet und unser Tisch so zentral, dass wir unsere Wirbelwinde im Blick haben, wenn sie oben in die Röhrenrutsche hinein- und unten wieder herausklettern. Alles super, fast so einfach wie Kinder vor dem Fernseher zu parken. Denken wir jedenfalls. Und es stimmt auch. Zumindest für die erste Viertelstunde.

 

Fortsetzung folgt...