Feste feiern, wie sie fallen

Lass dich überraschen - Teil 1

 

Rainer hat Geburtstag. Und das wollen F. und D. unbedingt feiern. Schon vor einigen Tagen haben sie mich an die Seite genommen und mir erzählt, dass sie eine Überraschungsparty planen. Leider ist Rainer an seinem Jubeltag gar nicht da, sondern bei Monika in Bielefeld. Das können die beiden gut verstehen, wenn sie ja auch sonst manchmal mit unseren privaten Lebensentwürfen ein wenig überfordert sind.

 

Ein Paar, das sich seit mehr als 20 Jahren kennt, seit mehr als fünf Jahren auch verheiratet ist, aber mehrere hundert Kilometer voneinander entfernt lebt, das gibt es in Syrien nicht. Auch Rainers Begründung, das hänge mit den Jobs der beiden zusammen, überzeugt D. und F. wenig, wenn in Syrien sei die Familie wichtiger als die Arbeit. Und mir erzählen die beiden ja sowieso andauernd, dass sie mir eine Frau wünschten, denn es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei. Soweit ich weiß, ist auch das keine ausschließlich islamische Weisheit.

 

Überhaupt habe ich nicht selten den Eindruck, dass in F.s und D.s Heimat und ihrem kurdischen Familienkreis Werte gelten, die auch bei uns vor einigen Jahrzehnten noch hoch gehandelt wurden. Nur sind sie bei uns oft eine kapitalistischen, globalisierten und damit rein an Gewinn und messbarem Erfolg orientierten modernen Welt gewichen. Es sind nicht die Flüchtlinge, die unsere Werte untergraben, sage ich mir immer wieder, sie führen uns nur vor Augen, wie sehr wir sie selbst ausgehöhlt haben.

 

 

Zu den syrischen Werten scheint aber auch zu gehören, dass Familienfeste so opulent wie möglich gefeiert werden. Bis jetzt haben wir das nur bei den Kindergeburtstagen erlebt. Geburtstage Erwachsener seien nicht so wichtig und werden nicht gefeiert, erklärte und D. mal. Doch wenn eines der Kinder Geburtstag hat, dann steht N. Den ganzen Tag in der Küche, um verschiedenste Gerichte zu kochen, und D. kauft sämtliche Geschäfte in der Umgebung leer, die Süßigkeiten im Sortiment haben.

 

Wenn wir am Abend zu Besuch kommen, ist im Wohnzimmer ein zweiter Tisch aufgebaut, weil ein Tisch all das gar nicht tragen könnte. Es gibt eine riesige Geburtstagstorte, auf der das Geburtstagskind ein ganzes Sortiment an Kerzen auspusten darf und der ganze Raum ist über und über mit Luftballons dekoriert. D. macht dann auf YouTube „Happy Birthday“ in der Dauerschleife an und N. hilft beim Anschneiden der Torte.

 

Anschließend wird gegessen. In Syrien angeblich immer bis nichts mehr übrig ist und alle Gäste sich kaum noch bewegen können, bei uns tritt Prämisse zwei in Kraft, ohne dass Prämisse eins erfüllt ist. Erst gibt es warmes Essen, dann Torte und allerlei Süßigkeiten. Und wenn wir uns dann wirklich kaum noch rühren können, ist M. meist der erste, der uns drängelt, mit ihm mit den Luftballons Tennis zu spielen.

 

Eigentlich kann es schöner kaum sein, stelle ich immer wieder fest und genieße die Kindergeburtstage sehr. Somit wäre es auch schade, Rainers Party ausfallen zu lassen. Also tue ich etwas, was man nach unseren Werten eigentlich nicht tun darf und verrate ihm, dass eine Überraschungsparty geplant ist. Vielleicht ändert er ja seine Pläne, denke ich mir.

 

 

„Ich habe mit Monika aber Konzertkarten“, stöhnt er auf, „eine irische Tanzshow, auf die wir uns auch schon seit Monaten freuen.“ Mist. Also muss die Überraschungsparty wohl oder übel verschoben werden. „Wann bist du wieder hier?“ „Am Montag.“ „Gut, dann sage ich F. und D., dass sie sich am Montag überraschen sollen. Also sei dann gefälligst auch überrascht.“ Er verspricht es.

 

Zum Glück nehmen unsere beiden Partyplaner es mit Zeit und Datum nicht so genau, wenn sie nicht müssen und es macht ihnen überhaupt nichts aus, die Sache zu verschieben. Haben sie umso mehr Zeit, um noch weitere Dinge vorzubereiten. Und ich, um eine Woche nichts zu essen, damit ich an dem Abend dann wenigstens richtig hungrig bin.

 

Fortsetzung folgt...