Sie hätten das Recht zu wählen

Beständigkeit statt Veränderung - Teil 1

 

Eine Wahlbeteiligung von 15 Prozent. Diese Zahl zieht mich heute doch ein wenig runter. In den vergangenen Wochen gab es für mich beruflich kaum ein Thema, das mich so gefordert hat wie die Kirchenvorstandswahl. Immer wieder habe ich für unsere beiden Kirchenkreise Pressemitteilungen geschrieben und das Prozedere sowie die Bedeutung für die Gemeinden erläutert. Ganz zu schweigen von den Artikel zuvor, in denen ich darum warb, dass sich überhaupt jemand als Kandidat aufstellen lässt.

 

Am Tag vor der Wahl habe ich darüber berichtet, dass in einer Gemeinde sogar mit einem Konzert und einer Andacht „reingefeiert“ wurde und am Wahltag selbst schrieb ich über unseren Landesbischof Ralf Meister, der den wahrscheinlich jüngsten Wähler – der war gerade am Tag zuvor 14 geworden – bei dessen Urnengang begleitete. Mehr Pressearbeit geht kaum.

 

Und nun haben ganze 15 Prozent – in den Kirchenkreisen, für die ich schreibe, waren es 17 bzw. 24 Prozent – der hiesigen Christen mitbestimmt, wer die Geschicke in ihrer Gemeinde in den kommenden Jahren leiten wird. Dabei ist die Arbeit im Kirchenvorstand nun wirklich viel mehr als sonntags mit dem Klingelbeutel durch die Kirche zu laufen. Unser Landessuperintendent Eckhard Gorka sagte mir mal, dass die Kirchengemeinden in ländlichen Gebieten etwa 60 Prozent des kulturellen Angebots bestreiten. Sie organisieren Konzerte, Gemeindefeste, Basare und so viel mehr, wenn die Kommunen es finanziell kaum wuppen können.

 

 

 

Daher finde ich durchaus, dass so ein Kirchenvorstand äußerst wichtig ist, erst recht in einer Region wie unserer, wo so viele Leute sich fortwährend beklagen, dass ja nichts los sei und früher alles besser war. In den Kirchenvorständen hätten sie zumindest die Gelegenheit, einiges mitzugestalten, denn in der Kirche kann für vieles dann durchaus Geld locker gemacht werden und Sponsoren sind für kirchliche Veranstaltungen auch relativ leicht zu finden.

 

Doch offenbar ist es vielen viel zu mühsam, den Ort, in dem sie leben, mitzugestalten. Immer nur meckern ist viel einfacher. In der Politik ist es ja letztlich nicht anders. Auch da finden sich oft kaum genug Kandidaten für einen Gemeinde- oder Stadtrat, weil „die da oben ja sowieso machen, was sie wollen.“

 

Diesen Satz höre ich in den letzten Jahren irgendwie ständig. „Die machen mit uns ja sowieso, was sie wollen.“ Aber auch nur, wenn wir es mit uns machen lassen. Immerhin leben wir in einem System, in dem wir ein Mitspracherecht haben. Doch ich habe mehr und mehr das Gefühl, dass es mit unserer Demokratie nicht so weit her ist. Die ist viel zu anstrengend und blöderweise gehört man dann auch noch manchmal zur Minderheit und wird überstimmt.

 

Gut, aus politischer Sicht kann ich die Demokratieverdrossenheit im Moment sogar verstehen. Wenn ich überlege, welcher Kindergarten uns in Atem gehalten hat, bevor wir nach der Bundestagswahl nun endlich eine Regierung haben, dann wundert mich der scharfe Ton nicht. Den schlage ich durchaus auch selber an, wenn es mal wieder vor allem um Macht und Ämter und das eigene Ego geht statt um die vielen Probleme, die wir dringend anpacken müssen.

 

 

 

Aber generell bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass wir das beste System haben, das bis jetzt erfunden wurde. Politisch und ehrlich gesagt auch religiös. Unsere politische Demokratie mag noch nicht besonders alt sein und sie kam zustande, ohne dass wir als Volk dafür kämpfen mussten. Doch aus religiöser Sicht war es kein geringerer als Martin Luther, der für das Mitspracherecht von Laien in der Kirche kämpfte und letztlich sogar eine Abspaltung von der katholischen Kirche in Kauf nahm.

 

Auch, wenn es in Zeiten der Ökumene nicht sonderlich populär klingt, für mich ist das immer noch ein Meilenstein und auch ein Grund, warum ich gerade der evangelischen Kirche angehöre. Die ist durch und durch basisdemokratisch, jeder kann in vielen Punkten mitreden und darf sich einbringen und allzu viele starre Dogmen gibt es zum Glück nicht.

 

Fortsetzung folgt...