Gefährliches Halbwissen

Schreckgespenst Salafismus - Teil 1

 

Den arabischen Frühling habe ich wie so viele andere damals voller Hoffnung, aber eben auch sehr oberflächlich mitverfolgt. Die Revolutionäre waren die Guten, die gestürzten Diktatoren die Bösen und am Ende würden alle für eine neue, demokratische Ordnung sorgen. Zuerst sah es ja auch wirklich so aus.

 

Dank Hamed Abdel-Samad, den ich mehrmals live erleben durfte, setzte ich mich dann mit der Situation in Ägypten etwas genauer auseinander und erkannte, dass die Verhältnisse doch deutlich komplizierter sind. Nicht nur in Ägypten, sondern auch in Iran, in Afghanistan – auch hier hatte ich jeweils das Glück, mehrere Vorträge von Landsleuten und Experten zu hören – und schließlich auch in Syrien.

 

Die Lage in Syrien schien mir besonders komplex und undurchsichtig und genau das vermittelte ja irgendwann auch die hiesige Berichterstattung. So richtig durchschaut habe ich die Fehden zwischen dem Assad-Regime, der Al-Nusra-Front, dem IS und der Freien Syrischen Armee wahrscheinlich bis heute nicht. Nur in einem bin ich mir sehr sicher: es ist deutlich komplizierter als die Schwarz-Weiß-Malerei vieler hiesiger Medien.

 

 

So wie der arabische Frühling hierzulande damals als Hinwendung zu unserem Wertesystem hochstilisiert wurde, so wurde der Salafismus verteufelt und schon früh als Instrument der angst eingesetzt. Ein Schreckgespenst, das auch uns bedrohte. Da ist sicher auch etwas dran, doch auch in diesem Fall wurden immer wieder Parolen nachgeplappert, ohne eigentlich zu wissen, was dahinter steckt.

 

Einen kleine, aber äußerst hilfreichen Einblick bekam ich vor einiger Zeit durch einen Islamismus-Experten der Polizei. Der warnte vor dem langen Arm des sogenannten Islamischen Staates ebenso wie vor dem gefährlichen Halbwissen, mit dem hier nicht selten der Eindruck vermittelt wurde und noch wird, dass jeder Mensch aus dem arabischen Kulturkreis zur Gewalt im Namen Allahs bereit ist und einen tiefen Hass auf unsere westliche Welt in sich trägt.

 

„Die Salafisten sind nur eine kleine Gruppe von etwa 0,3 Prozent der Muslime“, erläuterte der Polizeiexperte, eine kleine, aber gefährliche Minderheit, die sich auf die strikte Islamauslegung der Altvorderen beruft. Daher lehnen sie sowohl andere muslimische Lebensweisen als auch die demokratische Ordnung Europas ab und richten sich ausschließlich nach den Gesetzen der Scharia des 7. Jahrhunderts. Gefährlich wird es, wenn die Anstrengung auf dem Weg zu Gott, der Dschihad, ihrer Auslegung nach alles bekämpfen muss, was ihrem Verständnis von muslimisch widerspricht.

 

 

Dieses Ziel verfolgt der sogenannte Islamische Staat mit einer radikalen Entschlossenheit, die brutales Töten glorifiziert, Selbstmordattentäter zu Märtyrern macht und den Terror zum heiligen Krieg erklärt. Als wäre all das nicht schon erschreckend genug, setzt er gezielte Propaganda ein, um auch junge Menschen in Europa zu erreichen, und hat damit Erfolg. Etwa 750 Menschen aus Deutschland seien bereits in die vom IS besetzten Gebiete gezogen, erläuterte er mir vor etwa drei Jahren, 120 davon inzwischen nicht mehr am Leben.

 

Der gewaltbereite Islamismus ist damit auch zu unserem Problem geworden, sagte er, sowohl für Jugendliche, die sich von der martialischen Propaganda angesprochen fühlen, wie auch für andere Muslime, die durch die Verunsicherung im Land unter eine Art Generalverdacht geraten. „Viele fühlen sich in eine Ecke gedrängt, damit macht man viel kaputt.“ Wenn dann von der anderen Seite noch allzu deutsche Propaganda hinzukommt, macht das die Sache nicht besser.

 

Brisante Fälle seien in unserer bisher nicht vorgekommen, Auffälligkeiten und Überprüfungen hingegen schon. Sogenannte „Gefährder“, also nach Kriterien des Bundeskriminalamtes als gefährlich eingestufte Personen, gebe es hier ebenfalls keine, was nicht heißt, dass die Polizei die Entwicklung der Szene nicht im Auge behalte. „Das Problem ist da, aber es ist gering“, stellte er fest. Das gelte übrigens auch für die hiesige rechte Szene, in der es aus seiner Sicht derzeit „relativ ruhig“ sei.

 

Fortsetzung folgt...