Geförderter Fanatismus

Schreckgespenst Salafismus - Teil 2

Jede Form von Extremismus lasse sich am effektivsten durch Prävention vermeiden, ist der Polizist überzeugt, wenn Vorurteile Fakten weichen. Material zur Aufklärung über islamistischen Salafismus, dschihadistische Propaganda und Islamfeindlichkeit gibt es mittlerweile einiges von der Polizei, vom Bund und den Ländern. Doch die ersten Kontakte zu Extremisten werden meist über das Internet geknüpft, so dass es für die Polizei äußerst wichtig ist, immer die sozialen Netzwerke im Blick zu behalten. „Wir werten viele Äußerungen aus und überprüfen sie“, erläutert der Experte, „in Einzelfällen werden Nutzer auch beobachtet.“

 

Am meisten bringt aber immer noch das persönliche Gespräch oder eben der Umgang mit denjenigen, gegen die es Vorurteile gibt. Aus genau diesem Grund besuchte ich wenig später eine weitere Informationsveranstaltung, auf der diesmal nicht nur der Polizeiexperte zum Thema Salafismus sprachen, sondern auch Vertreter der örtlichen muslimischen Gemeinde und ein Islamwissenschaftler.

 

Muslime haben das größte Interesse, gewaltbereiten Salafismus zu bekämpfen, denn sie sind am häufigsten Opfer von Terrorismus. Außerdem ist es ihre Religion, die durch die fundamentalistische Auslegung in aller Welt mehr und mehr mit Skepsis oder gar Angst betrachtet wird. Das machte Bacem Dziri vom Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück gleich zu Beginn deutlich.

 

Der Einladung waren tatsächlich viele Menschen gefolgt, die nun in einem kleinen Raum des ehemaligen Güterbahnhofs saßen. Der Güterbahnhof war längst nicht mehr in Betrieb und vor einigen Jahren hatte die muslimische Gemeinde hier in Eigenleistung ihre Moschee gebaut. Seitdem lud die Gemeinde einmal im Jahr zum Gemeindefest und Tag der offenen Tür ein, das ich auch gerne besuchte, wenn ich nicht darüber berichten musste. Einfach, weil es schön war und man interessante Gespräche über verschiedene Kulturen und Religionen führen konnte. Viele andere aber ließen sich dort nicht blicken, weil sie trotz allem Vorbehalte hatten.

 

 

Den Anfang machte an diesem Tag wieder der Polizeiexperte. Anschließend sprach jemand von der Beratungsstelle zur Prävention neo-salafistischer Radikalisierung des Landes Niedersachsen und machte deutlich, wie die professionelle Propaganda des sogenannten Islamischen Staates den Dschihad als eine Art Jugendkultur inszeniert und damit erstaunlich erfolgreich ist. Und schließlich wurde direkt in die Moschee eingeladen, wo Bacem Dziri die theologische Dimension des Salafismus aus muslimischer Sicht darstellte.

 

Der Salafismus, der auf dem Wahhabismus basiert, sei keinesfalls die einzig konsequente Umsetzung des Islam und auch nicht, wie es oft dargestellt wird, die älteste und reinste. „Religiosität ist ihnen wichtiger als Religion“, sagte Dziri und machte deutlich, dass es innerhalb des Islam verschiedenste Auslegungen des Koran gibt, von denen die fundamentalistische eine ist, die nicht traditionell verankert ist und historisch begründet werden kann. Muslime bewahrten und pflegten beispielsweise immer schon alte Kulturgüter, während deren Zerstörung eindeutig einer modernen Ideologie entspringt.

 

 

Gleiches gilt für die vom IS propagierte Schwarz-Weiß-Sicht auf die Welt. Hier werden Antipathien gezielt genutzt, um Hass zu schüren. „Sie profitieren sehr davon, dass es äußere Feinde gibt“, sagte der Theologe und sprach auch über die Bedeutung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit islamischer Theologie wie am Osnabrücker Institut. Junge Muslime können nur durch eine Beschäftigung mit ihrem Glauben gefestigt werden und sich so vor radikalen Ideologien schützen.

 

Allerdings haben die Salafisten vor allem in Europa großen Erfolg mit ihrer Art der Frontenbildung und bieten insbesondere für junge und desorientierte Menschen Orientierung, Anerkennung und eine Distanz zu vielem, was sie an der Gesellschaft ihrer Elterngeneration stört. Auf Unmut folgt eine Identifizierung mit dem Salafismus, dann eine Ideologisierung und schließlich die Mobilisierung, hieß es schließlich. Befragungen von aus dem sogenannten Dschihad Zurückgekehrten zeigen, dass sie oft erst vor Ort in Syrien realisieren, worauf sie sich eingelassen haben.

 

Auf die erschreckenden Fakten folgte eine Einladung zum gemeinsamen Abendessen, das die Frauen der Gemeinde liebevoll vorbereitet hatten. So wurde der Abend noch lang und zwischen gefüllten Weinblättern und anderen Spezialitäten wurde mir, dass es hier um ein Problem geht, dem Muslime, Christen und andere gemeinsam etwas entgegensetzen müssen. Denn letztlich ist es immer auch ein Scheitern von Integration, das Parallelgesellschaften ermöglicht und durch Verbitterung Extremismus fördert. Somit wäre eine gelungene Integration dann auch die beste Prävention.