Verdrehte Religion

Kuchen zu Ramadan - Teil 2

 

Spätestens jetzt ist mir der Appetit auf Kuchen vergangen. „Er will nichts mehr mit dir zu tun haben, bloß weil du nicht-muslimische Freunde hast?“, hake ich ungläubig noch einmal nach. Ungläubig in diesem Moment wohl im doppelten Wortsinn. D. bestätigte. Diese Einstellung gebe es leider unter manchen Muslimen. Unter Arabern deutlich mehr als unter Kurden, versichert er mir, Kurden seien schließlich sowieso oft eine Minderheit und könnten sich relativ gut mit Andersgläubigen arrangieren. Manchen Arabern falle das leider schwer.

 

Tatsächlich habe er hier in Deutschland sogar Flüchtlinge kennengelernt, die ihren ehrenamtlichen Paten anfangs nicht die Tür öffneten, eben, weil sie keinen Kontakt zu Deutschen haben wollten. Das wiederum habe ich von einigen Paten auch schon gehört und konnte wiederum deren Frustration verstehen, wenn ihre Hilfsangebote so mit Füßen getreten werden. „Manche von denen, die damals die Tür nicht aufgemacht haben“, erzählt D. weiter, „kommen heute zu mir und fragen mich nach Dingen, die sie eigentlich Deutsche fragen wollen. Doch inzwischen klingelt natürlich niemand mehr bei ihnen.“

 

Integration klappt eben nur, wenn sie von beiden Seiten erwünscht ist, schießt es mir durch den Kopf und der Gedanke stimmt mich traurig. Wenn es auf der einen Seite Deutsche gibt, die Muslime ablehnen, auf der anderen Seite Muslime, die keinen Kontakt zu Deutschen wollen, dann ist es ganz schön schwer, diejenigen herauszufiltern, die helfen wollen und die, die Hilfe annehmen. Oder es müssten eben beide Seiten über ihren Schatten springen. Und dazu müssten beide Seiten erst einmal ansehen, dass wir letztlich alle im selben Boot sitzen. Unsere Welt ist doch inzwischen so globalisiert, dass wir es uns nicht mehr leisten können, andere kategorisch abzulehnen, oder?

 

 

Zum Glück sieht D. das ziemlich ähnlich. Er habe sich intensiv mit dem Koran beschäftigt, erzählt er mir. Damals in seiner alten Heimat schon und auch jetzt in Deutschland. Einen Grund, warum er nicht mit Deutschen befreundet sein soll, habe er darin nicht gefunden. „Es ist ein falscher Glaube“, sagt er. Es seien falsche Propheten, die den Gläubigen einreden, andere abzulehnen oder gar zu hassen. All das, was der IS und andere Fundamentalisten predigen sei aus seiner Sicht nicht im Islam und durch den Koran begründet, sondern allein das Machtinstrument bestimmter Gruppen.

 

Ehrlich gesagt bin ich gerade in diesem Moment froh, das so deutlich von ihm zu hören. Allein diese Gewissheit, dass es eben auch diese Meinung gibt und die Hoffnung, dass die meisten derer, die zu uns kommen, so denken. Auch bestimmte andere religiöse Regelungen, fährt D. fort, seien so explizit im Koran nicht vorgeschrieben. Letztlich auch die Regelungen, was Ramadan betrifft. Spricht er und bietet mir lächelnd ein zweites Stück Kuchen an. Ich lehne ab. „Danke, ich bin satt. Für die nächsten zwei Stunden mache ich Ramadan“, sage ich lächelnd und zum Glück kann auch er darüber lachen.

 

 

„Weißt du, im Christentum ist es doch nicht anders“, greife ich dann das erste Thema noch einmal auf, „auch bei uns gibt es leider Leute, die versuchen mit der Bibel zu begründen, dass es falsch ist, wenn wir Flüchtlinge aufnehmen.“ Meist sind das genau diejenigen, die zuvor mit der Bibel und dem Glauben nichts am Hut hatten, erläutere ich weiter und D. nickt wissend. So bestimmte Dinge scheinen doch in allen Religionen gleich zu sein. Eben, weil es gar nicht um die Religion geht, sondern um allzu menschlichen Egoismus oder was auch immer.

 

Es sind diejenigen, die Zwietracht schüren und dafür jede noch so absurde Begründung heranziehen. Leider haben diese Menschen wohl in allen Kulturen einen gewissen Erfolg damit, weil Menschen sich nun einmal sehr leicht verängstigen lassen. „Wenn mir jemand hilft und mein Freund sein will, so wie Rainer und du, dann kann es nicht falsch sein, die Freundschaft anzunehmen“, stellt D. fest. Damit ist eigentlich alles gesagt.

 

„Ach komm, lass uns das letzte Stück Kuchen noch teilen“, schlage ich vor. Doch daraus wird nichts mehr, denn inzwischen hat sich M. schon darüber hergemacht und nur Krümel übrig gelassen. Ihm ist Religion noch völlig egal, er fordert jetzt nur, dass wir uns endlich um ihn kümmern und mit ihm spielen.