Schimmel on the Wall - Teil 2
Gemeinsam mit D. rücken wir das Sofa ab und anschließend den Schrank im Kinderzimmer. Tatsächlich hat sich in vielen Ecken Schimmel gebildet, eigentlich in fast jedem Raum der Wohnung. „Das kann so nicht weitergehen“, entscheidet Rainer entschlossen. Lust auf eine erneute Diskussion mit den Vermietern haben wir allerdings auch nicht.
Am nächsten Tag ruft Rainer mich an. Er hat mal einen Brief an die Hausbesitzer aufgesetzt, in dem er die Missstände noch einmal aufzählt und darum bittet, die Vermieter mögen doch endlich Abhilfe schaffen. Jetzt will er von mir wissen, ob er mal wieder zu drastisch formuliert hat oder ob das so in Ordnung ist. Da ich weiß, wie impulsiv er manchmal sein kann, nehme ich mir seinen Text sofort vor. Diesmal ist allerdings alles sachlich und es gibt keinen Grund, es nicht so abzuschicken.
Die Antwort lässt natürlich nicht lange auf sich warten. Allerdings kommt die nicht per Post, sondern geht in den folgenden Tagen mehrfach als Anruf auf Rainers Handy ein. Er zieht es vor, nicht ranzugehen, schließlich haben wir Entschieden, dass jede Diskussion zwecklos ist. Drei Tage später versuchen die Vermieter es dann auch bei mir, doch auch ich habe leider immer in diesem Momenten so viel zu tun, dass ich nicht rangehen kann.
Was wir davon haben, erfahren wir, als wir D. und seine Familie das nächste Mal besuchen. Er hat nämlich Post bekommen. Von seinen Vermietern. Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs. F. und D. verstehen nicht, was es mich dem Schriftstück auf sich hat, wir allerdings schon. In diesem Moment bin ich froh, dass Rainer nicht doch mit den Vermietern gesprochen hat, denn nach diesem Schachzug wäre er definitiv nicht mehr sachlich geblieben.
„Das ist doch echt eine Schweinerei“, poltert er los, „die haben ihre Gammelbude jahrelang leerstehen, dann kommen die Flüchtlinge und die sahnen monatelang vom Staat dick ab für eine Wohnung, in die sonst vermutlich niemand anderes eingezogen wäre; und kaum gibt es mal Probleme, kommt die Kündigung und sie wollen mit allem nichts mehr zu tun haben.“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Nun ja, fast nichts. Moralisch ist die Angelegenheit für uns klar, faktisch und im schlimmsten Falle juristisch allerdings noch lange nicht. „Bei 'ner Kündigung wegen Eigenbedarfs muss doch hinterher auch ein Verwandter hier einziehen, sonst ist es strenggenommen Betrug, oder nicht?“, frage ich. Rainer zuckt mit den Achseln. „Schon, aber das musst du dann ja erstmal nachweisen und das geht auch erst nach dem Auszug.“
„Ja, ausziehen müssen wir sowieso“, stelle ich ernüchtert fest. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, dass die Vermieter die Kündigung zurückziehen und dann etwas gegen den Schimmel unternehmen. Der Zug ist jetzt ganz sicher abgefahren. Die Erkenntnis fällt nicht leicht, vor allem , weil sie damit verbunden ist, dass die Familie schon wieder alle Zelte abbrechen und mehr oder weniger neu anfangen müssen.
„Dann wollen wir aber in die Innenstadt ziehen“, sagt D. und scheint das Ganze deutlich pragmatischer zu sehen als wir. Naja, er hat sicherlich auch keine Ahnung, wie schwer es für Ausländer in Deutschland sein kann, mit drei Kindern eine vernünftige Wohnung zu finden und auch nicht, dass all das mit einem Schulwechsel und der Suche nach neuen Kindergartenplätzen verbunden ist.
„Mein Freund K. ist Anwalt“, sagt Rainer plötzlich mit der fest entschlossenen Stimme Bruce Willis', der sich den scheinbar übermächtigen Gegnern furchtlos in den Weg stellt, „den werde ich mal einschalten, damit wir dann wenigstens die Miete für die letzten Monate nicht mehr zahlen müssen.“ Okay, damit steht es also fest: wir ziehen in die Schlacht.