Die deutschen Kartoffeln

Mehlig oder festkochend, das ist hier die Frage

 

Unbedingt muss ich noch etwas für meinen Blog schreiben. War schon wieder viel zu lange viel zu faul. Jetzt so unter Druck fällt mir allerdings rein gar nichts ein. Die Geschichten, die ich noch schreiben könnte, dauern länger und die, die schnell erzählt sind, würden am Ende platt, unbedingt gewollt oder moralisierend klingen. All das will ich ja eigentlich nicht.

 

Erst einmal sitze ich lange vor dem leeren Dokument und sehe dem Cursor beim Blinken zu, dann beschließe ich, erst einmal zum Supermarkt zu gehen und noch etwas fürs Abendessen einzukaufen. In aller Ruhe schlendere ich durch die Gänge, schnappe mir mehr als ich eigentlich brauche und schlage dann den Weg zur Kasse ein. Doch vorm Süßigkeitenregal erregen zwei Leute meine Aufmerksamkeit, die aufgeregt miteinander diskutieren.

 

Der eine ein eindeutig südländischer Mann mittleren Alters, der geradezu klischeehaft gebrochen deutsch spricht, dazu aber fließend mit den Händen gestikuliert. Der andere ein sehr junger Angestellter, noch keine zwanzig Jahre alt und etwas hilflos wirkend. Nun bin ich ja allein berufsbedingt schon neugierig – als Journalist sollte man das wohl auch sein – so dass ich mich noch einmal dem Zeitschriftenregal zuwende und meine Augen darin umherwandern lasse, während meine Ohren in Richtung Süßigkeitenregal ausgerichtet sind.

 

Der ältere Mann hält einen Sack Kartoffeln in der Hand und ist offenbar unsicher, ob er das Richtige kauft. „Sind das Kartoffeln normal oder fest?“, will er von dem jungen Angestellten wissen. „Ja, das sind ganz normale Kartoffeln“, antwortet dieser und scheint nicht zu verstehen, warum der Kunde mit seiner Antwort nicht zufrieden ist.

 

 

 

„Nein, kann nicht gut lesen“, holt der Mann aus, „Sind Kartoffeln, wie heißt es, fest kochend oder weich?“ Der Junge, seiner Frisur und den schicken Sneakers nach kennt er sich mit Mode und aktuellen Trends deutlich besser aus als mit Kartoffeln, kapiert den Sinn der Fragen immer noch nicht. „Nein, das sind keine gekochten Kartoffeln, die sind roh, aber wenn man sie kocht, dann werden sie weich“, erklärt er seinem Kunden, den er inzwischen offenbar für ein wenig minderbemittelt hält.

 

Da ich mir inzwischen eh schon beinahe die Zunge abgebissen habe, um nicht laut loszulachen, entschließe ich mich dazu, mich jetzt mal einzumischen. „Darf ich helfen?“, frage ich den Mann, der mir geradezu dankbar seinen Kartoffelsack reicht. Tatsächlich muss auch ich kurz suchen, da ich zugegebenermaßen selbst auch selten Kartoffeln kaufe, dann entdecke ich jedoch den Aufdruck. „Festkochend. Hier steht es“, erkläre ich dem Mann und halte dem Jungen das Etikett unter die Nase.

 

 

„Ah, dann Kartoffeln falsch, ich brauche weiche“, stellt der Kunde fest, wendet sich zuerst an mich und sagt: „Danke, vielen Dank für Hilfe“ und dann an den Jungen, den er bittet: „Du mir zeigen weiche Kartoffeln?“ Sein Gesichtsausdruck verrät, dass er immer noch auf dem Schlauch steht. „Es gibt unterschiedliche Kartoffeln, mehlige und festkochende“, raune ich ihm zu. „Achso, das wusste ich nicht.“ Nee, offensichtlich nicht.

 

Während die beiden ihres Weges gehen, stelle ich mich an der Kasse an und muss immer noch schmunzeln. Ja sicher, mit gebrochenem Deutsch ist es hierzulande leider manchmal schwierig. Aber ab und zu scheitert die Verständigung eben auch daran, dass wir Einheimischen einfach keine Ahnung haben. Damit Integration funktioniert, müssen sich eben beide Seiten Mühe geben und geduldig sein.

 

Wenn die Menschen, die zu uns kommen, erst einmal checken, dass es auch bei uns deutschen Kartoffeln einige gibt, die ziemlich mehlig sind, dann ist das schon mal viel wert. Und wenn wir dann noch kapieren, dass mangelnde sprachliche Ausdrucksfähigkeit nichts, aber auch gar nichts mit Anderssein zu tun hat, dann sind auch wir einen großen Schritt weiter.