Wer kündigt, gewinnt

Wanted: Wohnung ohne Schimmel - Teil 1

 

Ziemlich schnell ist D. im Internet auf der Suche nach neuen Wohnungen. Während Rainer und mir eigentlich erst einmal nur wichtig ist, dass die neuen vier Wände nicht von Schimmel befallen sind, träumen er und F. insgeheim schon vom eigenen Traumhaus. Zentrale Lage wäre toll. Für jedes Kind ein eigenes Zimmer. Einen Stellplatz fürs Auto direkt vor der Tür. Ein großer Garten. Modern und schön sollte sie natürlich auch noch sein.

 

All diese Träume zerplatzen nach und nach wie Seifenblasen. Zwar gibt es etliche freie Wohnungen in der Stadt, doch die Preise sind dann eben auch dementsprechend hoch. „Willst du jeden Monat 'ne Bank ausrauben, um die Miete bezahlen zu können?“, fragen wir D. „Also in Syrien...“, beginnt er, räumt dann aber ein, dass ein schickes Zuhause dort leider auch nur den Privilegierten vorbehalten ist. Nur hätte er eben nicht erwartet, dass das in Deutschland ebenso ist.

 

 

Für einen Moment überlege ich, ihm einen Vortrag über soziale Ungleichheit und die ungerechte Verteilung von Vermögen in unserem Land zu halten. Immerhin besitzt das oberste Prozent der Bevölkerung hier etwa ein Drittel des gesamten Vermögens und die Schere zwischen arm und reich klafft damit weiter auseinander als in vielen anderen Staaten. Andererseits müssen die Menschen in D.s Heimat um mehr als nur um ihre soziale Stellung fürchte und so halte ich lieber meine Klappe.

 

Trotzdem bin ich tief in mir drin, dass genau das bei uns die Wurzel vielen Übels ist. Unbezahlbarer Wohnraum, vorprogrammierte Altersarmut und natürlich auch gesellschaftlicher Neid, der zu Fremdenhass wird, all das entspringt meiner Meinung nach aus genau dieser einen Wurzel und könnte wahrscheinlich ziemlich leicht entschärft werden. Doch große gesellschaftspolitische Theorien bringen uns im Moment absolut nicht weiter.

 

D. erweist sich als Mann der Tat und ruft gleich mal einige Nummern an, die unter freien Wohnungen im Netz stehen. Die Antwort, die er bekommt, ist immer die gleiche: „Die Wohnung ist inzwischen leider schon vergeben, wir haben es nur noch nicht geschafft, die Anzeige zu löschen.“ Enttäuschung auf ganzer Linie. Bei D. jedenfalls. Rainer und ich haben sowieso nicht damit gerechnet, dass solche Schnellschüsse zum Erfolg führen.

 

Mein erster Anruf gilt der örtlichen Wohnungsbaugesellschaft, die durchaus bezahlbare und sogar recht schicke Wohnungen vermietet und gerade auch in den letzten Jahren und Monaten kontinuierlich neuen Wohnraum schafft. Allerdings hält sich der Erfolg auch hier in Grenzen. „So von jetzt auf gleich können wir Ihnen natürlich nichts bieten“, bekomme ich zu hören, „Aber ich kann Sie gerne auf die Warteliste setzen. Das dauert zwar einige Zeit, aber manchmal wird ja auch zwischendurch etwas Passendes frei.“ Wie lange „einige Zeit“ denn dauern wird, darüber möchte der Herr am Telefon keine genaue Prognose abgeben, doch er wird sich melden, sobald er uns helfen kann.

 

 

Rainer quälen unterdessen ganz andere Probleme. „Wenn wir jetzt eine Wohnung finden, dann müssen wir zusehen, dass wir auch sofort umziehen können“, konstatiert er. Zum einen können F. und D. es sich nicht leisten, in der Übergangszeit zwei Mieten zu zahlen und wir wissen auch nicht, was die Ämter dazu sagen, zum anderen möchte er den jetzigen Vermietern keinen Cent mehr als unbedingt nötig gönnen.

 

Rainer ist richtig sauer. Und wenn er sauer ist, dann läuft er mitunter zur Höchstform auf. Daher hat er auch schon mit seinem befreundeten Anwalt gesprochen und sich einige Tipps geben lassen. Der wichtigste sieht vor, dass wir erst einmal gar nicht auf die Kündigung wegen Eigenbedarfs eingehen, sondern unsererseits eine Kündigung schreiben, den Schimmel als Grund angeben und schriftlich ankündigen, für die letzten Monate keine Miete mehr zu zahlen, da die beanstandeten Mängel ja nicht beseitigt wurden. Darauf müssten die Vermieter dann ihrerseits erst einmal wieder reagieren.

 

Gesagt, getan, ein Brief wird aufgesetzt und abgeschickt, alles auch noch beweisbar, damit wir im Falle des Falles all unser Vorgehen belegen können. Fühlt sich ein bisschen an wie im Krimi, aber mir soll schon sehr bald klar werden, dass genau dieses Vorgehen leider das einzig richtige ist.

 

Fortsetzung folgt...