Mit Batman und Pikachu im Dschungel

Verloren im Konsumtempel - Teil 2

 

Vorm Primark angekommen, fangen F.s Augen an zu leuchten, sie ist jetzt kaum noch zu halten. Kaum durch die Tür scheint sie auch schon Witterung aufgenommen zu haben und läuft mit dem Blick einer Jägerin voraus. Wie eine Tigerin, die sich zielsicher ihren Weg durch den Dschungel bahnt. D. und ich kommen mit den Kindern kaum hinterher, aber das macht nichts. Spätestens, wenn die Jägerin ihre Beute gefunden hat und sie in die Umkleide schleppt, werden wir ihre Fährte wieder aufnehmen.

 

Auch S. und A. tragen dieses Shopping-Gen offenbar in sich, denn auch sie steuern zielsicher auf alles zu, was pink ist und glitzert. „Das will ich haben!“, ruft S. an jedem Kleiderständer. „Und ich das!“, tut ihre Schwester es ihr gleich. „Mädels, das ist eine Tischdecke...“, werfe ich zwischendurch mal ein, aber das beeindruckt die beiden Shopping Queens wenig. Auch sie haben den süßen Duft der Beute gewittert und befinden sich jetzt im Jagdfieber.

 

 

Bloß M. wirkt noch nicht so begeistert wie die drei Mädels, eher enttäuscht, dass es in dem blöden Laden gar kein Spielzeug zu geben scheint. Mir geht es im Grunde ja ähnlich, ich wäre auch lieber in einer Buchhandlung. Aber das hier ist nun mal kein Wunschkonzert, sondern eine ernste Sache, also die Jagd nach den besten Schnäppchen und besten Angeboten und so. Fehlt eigentlich nur noch Guido Maria Kretschmer, der uns 500 Euro und vier Stunden Zeit gibt. Erst viel später werde ich wissen, dass eine Beschränkung auf vier Stunden auch ein Segen sein kann, aber das ahne ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

 

Der Einkaufswagen ist jedenfalls schon bald bis oben hin voll und F. bugsiert ihre Kinder zur Umkleidekabine. Während die Mädels sich freuen, alles mögliche anprobieren zu dürfen, tut M. das eher widerwillig und nutzt die erstbeste Gelegenheit, um sich vom Acker zu machen. Da D. beim Anprobieren hilft, mache ich mich auf die Suche nach unserem Ausreißer und entdecke ihn bald schon vor einem Schlafanzug mit Batman drauf. „Boah“, ruft er laut, „den will ich haben!“

 

Dummerweise sind die Verkäufer in Klamottenläden nicht so nett, dass sie nur Batman anbieten, sondern daneben auch noch Spiderman, dann etliche Pokémon und diverse andere Comichelden. Während er seinen Blick schweifen lässt, legt M. die Stirn in Falten und ihm ist anzumerken, dass jetzt eine gewaltig schwere Entscheidung auf ihn zukommt. Hilfesuchend blickt er zu mir, doch hier kann ich ihm leider nicht helfen, da muss er alleine durch.

 

 

Nach langem und ganz offensichtlich sehr schwierigem Abwägen greift er zu Pikachu und zu Batman und trägt nun seine Beute zu seinen Eltern. Da die aber gerade beide noch mit den Mädels beschäftigt sind, nehmen auch sie ihm die Entscheidung nicht ab und er bleibt auf sich allein gestellt. Die Stirn immer noch kraus gezogen und mit ernstem Blick kommt Pikachu schließlich in den Einkaufswagen und er trägt Batman zurück.

 

Doch wohin zurück eigentlich? Für einen Jungen seiner Größe ist das hier nun mal ein unüberschaubares Labyrinth und er muss mühsam jeden einzelnen Gang durchsuchen. „Hier war es auch nicht“, sagt er mit einer matten Ernsthaftigkeit, bei der ich mir ein Lachen kaum noch verkneifen kann. „Wenn Sie die Sachen suchen, die hängen dort vorne...“, erklärt mir eine freundliche Verkäuferin und deutet auf die Wand mit den Comicmotiven. „Danke, ich weiß“, gebe ich verschwörerisch grinsend zurück, „aber solange er sucht, ist er wenigstens beschäftigt.“ Jetzt muss auch sie lachen. „Ja, stimmt, ich weiß genau, was Sie meinen.“

 

Die Mädchen haben sich inzwischen für ihre Sachen entschieden, so dass M. nun endlich an der Reihe ist als er Batman endlich wieder an seinen Platz geleitet hat. Dafür sind jetzt S. und A. schnell gelangweilt und nutzen das, um im Labyrinth des Textildschungels Verstecken zu spielen. Erst verstecken sie sich voreinander, dann, als sie merken, dass das ja noch lustiger ist, auch vor uns. D. und ich gucken uns bald hilfesuchend an, weil wir die beiden tatsächlich aus den Augen verloren haben.

 

Augenblicklich spüre ich, wie mein Herz schneller schlägt, das nennt man wohl Verantwortungsbewusstsein. Eigentlich schön, mal zu spüren, dass das bei mir so ausgeprägt ist. Weniger schön ist, dass es dann noch zehn Minuten dauert bis wir auf die Idee kommen, mal eine Etage höher zu suchen, wo wir die beiden dann zum Glück vor einem Schuhregal zu finden. „Da sind Diamanten drauf“, erklärt A. ganz ergriffen. Na gut, in jedem Dschungel muss es ja auch den obligatorischen Schatz geben. Dennoch dachte ich, dass andere Stockwerke beim Verstecken gegen die Spielregeln verstoßen. Aber das Gesetz des Dschungels im Primark ist nun mal nicht ganz mein Fachgebiet.

 

Fortsetzung folgt...