Shoppen bis zum Umfallen

Verloren im Konsumtempel - Teil 3

 

Irgendwann geht es dann mit vollbeladenem Einkaufstrolley zur Kasse. Nicht nur die Kinder sind inzwischen relativ platt, auch ich habe absolut keine Lust mehr, mir auch nur noch ein T-Shirt mit Comicfigur oder Bling Bling anzusehen. F. jedoch ist glücklich und freut sich riesig über die fünf großen Papiertüten, die ihr am Ende in die Hand gedrückt werden.

 

Während wir uns mit Kindern und Tüten zwischen anderen Kunden hindurch zum Ausgang schlängeln, überlege ich, ob es vielleicht gerade dieses Gefühl ist, um das uns manch andere Kultur beneidet und damit eben auch der Grund, warum so viele zu uns kommen wollen, wenn die eigene Heimat keine Zukunft mehr bietet. Dass diese ganze glänzende Konsumwelt im Grunde nur Schein ist und noch dazu längst nicht für jeden in vollen Zügen erlebbar, das muss man ja erst mit der Zeit schmerzhaft lernen. Nach außen hin erwecken wir ja tatsächlich den Eindruck, dass all unser Seelenheil irgendwo in diesen fünf Einkaufstüten steckt.

 

Wenn ich dann noch überlege, mit welchem Pathos die Werbung Produkte an den Mann und die Frau bringt, dann nimmt das alles tatsächlich geradezu religiöse Züge an. Für den Moment sind F. und die Kinder aber wirklich rundum glücklich, vor allem als die drei endlich das versprochene Eis bekommen. Na gut, Eis macht nun ohne Zweifel glücklich, das muss ich eingestehen.

 

 

Auf dem jetzt etwas gemächlicheren Weg zurück nehmen D. und F. sich die Zeit, auch ein wenig auf die Stadt zu achten, in der sie sind. D. bewundert die großen und schönen Häuser – ja, ein paar davon gibt es in Braunschweigs Altstadt ja doch – und F. vor allem die vielen Geschäfte und unterschiedlichsten Menschen, die hier unterwegs sind. Sie möchte unbedingt nach Braunschweig ziehen, stellt sie schließlich fest. Weil alles hier größer ist als in Osterode, weil alles schöner ist und eben auch viel mehr los.

 

Mein Einwand, dass die Kleinstadt aber auch Vorteile hat, wenn es darum geht, sich in Deutschland einzugewöhnen, trifft jetzt gerade auf ziemlich taube Ohren. Dabei bin ich inzwischen überzeugt, dass vieles im fast noch familiären Umfeld einer Kleinstadt wirklich leichter ist, während die Anonymität einer Großstadt der Integration durchaus im Wege stehen könnte.

 

Bevor wir das Thema aber weiter vertiefen können, kommen wir an den Schlossarkaden an, jenem großen Shoppingcenter, in dem der Begriff Reizüberflutung in Bezug auf die Kinder fast schon verniedlichend wirkt. F. geht es ebenso. Auch sie blickt fast schon hektisch umher und weiß gar nicht mehr, wo sie zuerst nach weiteren Verlockungen suchen soll. Dann jedoch ist es mit einem Mal vorbei.

 

Ich höre sie mit D. leise reden und auch ohne die Sprache zu verstehen, höre ich raus, dass ihr jetzt plötzlich alles zu viel ist, sie nur noch an die frische Luft und sich setzen will. Auch das kann ich gut nachvollziehen. Gegen den Protest der Kinder packen wir die drei und bahnen uns den schnellsten Weg durch den Hinterausgang nach draußen.

 

 

Immerhin ist F. hochschwanger und schon seit Stunden auf den Beinen, vermutlich, ohne zwischendurch genug getrunken zu haben. So überfüllt es im Einkaufszentrum ist, und so hektisch auch auf dem großen Vorplatz, so ruhig ist es hier hinten. Es gibt einen kleinen Spielplatz mit einer Bank, eine kleine Oase der Ruhe, die wir jetzt dringend brauchen. D. kümmert sich besorgt um seine Frau, die eigentlich nur etwas trinken will.

 

Zu zweit stürmen wir wieder rein, steuern direkt auf den nächsten Drogeriemarkt zu und kaufen für jeden von uns eine große Flasche Wasser. Danach sofort wieder nach draußen, wo auch die Kinder jetzt etwas zur Ruhe gekommen sind und feststellen, dass sie all die Eindrücke erst einmal mit Wasser herunterspülen müssen. Ja, es war eigentlich nur ein Shoppingtrip in eine größere Stadt. Und doch ist es eben für F., D. und die Kinder eine ganz andere Welt mit so vielen neuen Eindrücken, bei denen wir nicht davon ausgehen können, dass sie sich alle mal so nebenbei verarbeiten lassen.

 

Auf der Rückfahrt sind wir dann alle recht schweigsam, hängen unseren Gedanken nach. Und nachdem wir die Kinder zuhause abgesetzt haben, fahren wir noch zur Frauenärztin, um uns bestätigen zu lassen, dass bei F. alles in Ordnung ist und nur der Flüssigkeitsmangel sie schwächeln ließ. Für sie und ihre Familie ist es eben nicht nur eine andere Welt, sondern auch ein völlig neuer Lebensabschnitt, der fast nichts mehr mit ihrem früheren Leben gemeinsam hat. Ich glaube, ich kann mir gar nicht ausmalen, wie aufregend das manchmal sein kann.