Jetzt stellen wir die Weichen für die Zeit nach der Corona-Krise - Teil 1
Ein paar Wochen der Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie liegen jetzt hinter uns. Ein paar Wochen steht das öffentliche Leben nun mehr oder weniger still, wir spüren, dass wir vieles, was wir für selbstverständlich hielten, von einem Tag auf den anderen vermissen können. Es ist eine Situation, die noch vor wenigen Wochen unvorstellbar schien. Doch in solchen Extremsituationen zeigt sich das Wesen des Menschen, heißt es, und durchaus auch das einer Gesellschaft.
Am Anfang wurde Corona von vielen als Panikmache abgetan, während andere, nun ja, Panik verbreiteten. So weit, so normal. Doch schon da gab es im Grunde nur zwei Lager. Die berühmte Mitte, die nicht sofort weiß, ob das Virus komplett harmlos oder unweigerlich tödlich ist, und erst einmal abwartet, was verschiedene Experten sagen, die war wie so oft nicht zu hören. Ganz ähnlich war es dann bei den drastischen politischen Maßnahmen, die mehr oder weniger den Stillstand des öffentlichen Lebens anordneten.
Den einen war das viel zu lasch und sie forderten den konsequenten Lockdown, die anderen sahen sich in ihren Grundrechten eingeschränkt und riefen die Diktatur aus. Allerdings muss man hier auch zugeben, dass es durchaus eine Mehrheit gab, die mit #bleibzuhause zu Solidarität und Besonnenheit aufriefen, besonders – und das hat mich wirklich positiv überrascht – in den sozialen Netzwerken. Diese Stimmen gibt es auch nach wie vor, ich vermute sogar, dass sie auch immer noch die Mehrheit ausmachen.
Doch die Stimmen von den Rändern werden eben lauter. Interessant dabei finde ich, dass bestimmte populistische Parteien erst einmal die Regierung beschimpften, sie hätte viel zu spät gehandelt, während sie selbst schon viel früher eindeutige Maßnahmen ergriffen hätten. Seltsam, dass sie diese Maßnahmen zuvor nicht wenigstens zur Diskussion stellten, und seltsam auch, dass sie, als sie damit wenig Gehör bei ihren Anhängern fanden, ziemlich schnell umschwenkten und laut tönten, es sei doch bloß eine normale Grippewelle und alles viel zu übertrieben. Aber gut, das spricht für sich, denke ich.
Viel interessanter fand ich, dass nach dem Ausbremsen der Wirtschaft zwar die Solidarität beschworen wurde, jedoch im Detail jeder nur danach fragte, wie denn nun seine Branche unterstützt werde, was der Staat für ihn tun werde, oft verbunden mit dem Vorwurf, alle anderen seien ja viel besser dran. Zugegeben, als selbstständiger Journalist habe ich mir auch Sorgen gemacht, da ich ohne Aufträge, und das sind nun mal überwiegend Berichte über öffentliche Veranstaltungen, nun mal auch kein Einkommen habe. Doch es war schon erschreckend, wie eng der Horizont bei manchen wurde und die weltweite Pandemie plötzlich auf die eigenen beruflichen Einschränkungen heruntergebrochen werden konnte. Selbst globale Unternehmen mussten ja plötzlich Mietzahlungen aussetzen, weil die Milliardengewinne nicht mehr ganz so sprudelten.
Ganz zu schweigen von denen, die plötzlich wie irre Klopapier horten mussten, damit... ja, warum eigentlich. Ehrlich gesagt habe ich das bis heute nicht verstanden und bin bloß froh, dass Klopapier kein Mindesthaltbarkeitsdatum hat und auch noch tadellos ist, wenn diese Leute ihren Vorrat in dreißig Jahren ihren Enkeln vererben.
Auf der anderen Seite gibt es dann aber die, die plötzlich kreativ wurden. Da gibt es Menschen, die einen ehrenamtlichen Einkaufsservice für ältere und kranke Menschen anboten, damit diese sich nicht der Gefahr einer Ansteckung aussetzen müssen. Es gibt (überwiegend) Frauen, die hörten, dass in Krankenhäusern, bei Pflegediensten etc. die Schutzmasken knapp wurden und zu nähen begannen. Und es gibt beispielsweise die Jugendlichen, die in der Zeit, in der sie eh nicht zur Schule können, die Ausgabe bei der Tafel übernommen haben, weil diejenigen, die das sonst tun, eben selbst zur Risikogruppe gehören.
Kurz gesagt, es ist teils unglaublich, wie schnell Bewegung in die Gesellschaft kam und da sind all die kreativen Ideen von Kulturschaffenden noch nicht einmal eingeschlossen. Musiker veranstalten Wohnzimmerkonzerte, die sie in die Welt streamen, Autoren entdecken, dass auch Lesungen online funktionieren und sogar und vor allem die Kirche geht mit Videoandachten und einigem mehr ganz ungewohnt moderne Wege.
An einem Abend habe ich beispielsweise an einem Stream teilgenommen, bei dem der Streamer ein Rollenspielbuch vorgelesen hat und im Chat dann gemeinsam über die jeweiligen Entscheidungsmöglichkeiten in der Geschichte abgestimmt wurde. Es war ein interaktiver Spieleabend mit Freunden und für mich ein großartiges Format, das ich auch gerne häufiger miterleben möchte, wenn alles wieder normal ist.
Fortsetzung folgt...