Gedenken an die Reichskristallnacht
Vor einigen Tagen wurde ich auf eine Veranstaltung bei uns in der Innenstadt aufmerksam gemacht. Eine Kundgebung gegen Rechts, eine Putzaktion der sogenannten Stolpersteine, die an die Juden in der Stadt und ihre Ermordung durch die Nazis erinnern. Eigentlich, so wurde mir erzählt, war eine Demo der Querdenker geplant, doch man sei ihnen mit der Anmeldung für die Kundgebung zuvorgekommen. Allein das gefiel mir. Natürlich wollte ich auch darüber berichten, also hier jetzt mein unkommentierter Pressetext:
Am Mittwochvormittag zogen die „Omas gegen Rechts“ gemeinsam mit Schülern verschiedener Schulen los, um in der Osteroder Innenstadt die Stolpersteine zu reinigen. Im Gedenken an die Pogrome in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden die Kurzbiografien jener Jüd*innen verlesen, die in den Häusern wohnten, vor denen die 14 Stolpersteine heute an ihr Schicksal erinnern.
Den Omas geht es vor allem darum, dass die Enkelgeneration nicht vergisst, zu welchen Grausamkeiten die Nazis damals fähig waren, dass sie Menschen jüdischen Glaubens und mit jüdischen Vorfahren sowie andere politische Gegner systematisch ermordeten. Die gemeinsame Putzaktion ist ihr deutliches Zeichen, dass sich solch geschürter Hass nicht wiederholen darf und auch, dass die breite Masse dabei nicht tatenlos zusehen darf.
Am, Abend gab es dann eine Kundgebung auf dem Kornmarkt. Für das Fernsehen wurden die Steine noch einmal geputzt, vor allem aber begrüßte Martin Struck im Namen des Aktionsbündnisses für Solidarität und Demokratie viele Organisationen und Menschen, die dafür eintreten, dass rechte Kräfte keine Deutungshoheit über die Geschichte erlangen, den Holocaust verharmlosen oder auch heute wieder Hass auf bestimmte Gruppen schüren.
Etwa 120 Bürger*innen hatten sich auf dem Kornmarkt eingefunden, noch einmal wurden von den Omas gegen Rechts die Biografien der einst in Osterode lebenden Jüd*innen vorgelesen, es folgten Reden von Michael Lühmann, Landtagsabgeordneter der Grünen, Sebastian Bornmann, stellvertretender Landrat, Bürgermeister Jens Augat, Sven Ludwig, DGB, Ursel Bremer, Omas gegen Rechts, sowie Moritz Dicty von Bunt statt Braun.
Inhaltlich gingen alle in die gleiche Richtung. Heute müssen wir wachsamer sein als damals, dürfen nicht zusehen, wenn an den Pfeilern der Demokratie gesägt wird. Unsere pluralistische freie Gesellschaft ist ein hohes Gut, für das wir eintreten müssen, gegen jede Hetze, gegen menschenverachtende Ideologien und gegen eine Verharmlosung der Nazi-Vergangenheit.
Ursprünglich sollte zur gleichen Zeit und am gleichen Ort eine sogenannte Querdenker- oder Selbstdenkerveranstaltung stattfinden. Die Anhänger verbreiten Fake News, untergraben die Demokratie, so Martin Struck, beispielsweise angestachelt von einer Ärztin aus Duderstadt. Gemeint ist Carola Javid-Kistel, die als Impfgegnerin in vorderster Front stand und gegen die schließlich seitens der Staatsanwaltschaft ermittelt wurde, so dass sie vor der Polizei flüchtete.
Diesen Menschen dürfe man nicht das Feld überlassen, so Martin Struck, und müsse gleichzeitig die Ahnungslosen Mitläufer aufklären. Jeder, der einen abgewandelten Judenstern mit der Aufschrift „ungeimpft“ trage, verharmlose den Holocaust. „Die Juden konnten den Stern nicht einfach abnehmen, die Entfernung stand unter drakonischen Strafen.“
Soweit also mein Bericht über die Aktion. In den sozialen Netzwerken, allem voran Facebook gab es von der Gegenseite natürlich die entsprechenden Kommentare, zum Teil hasserfüllt, zum Teil angepisst, auf jeden Fall voller ideologischem Mist und Fake News, was ich hier gar nicht wiedergeben möchte. Unterm Strich war es für mich ein Zeichen dafür, dass die demokratische Mehrheit in unserer Gesellschaft nicht schweigen darf, sondern aktiv werden muss. Ja, wie sagte Esther Bejarano: "Erinnern heißt handeln."