Spurensuche zu Hermann von Wissmann
„Deutschlands großem Afrikaner“ lautet die Inschrift auf dem Wissmann-Denkmal im Bad Lauterberger Kurpark. Seit Jahrzehnten gibt es Widerstand gegen diese Darstellung Hermann von Wissmans als bedeutendem Forscher der Kolonialzeit. Insbesondere der Verein Spurensuche Harzregion setzt sich in jüngster Zeit für eine ehrliche Auseinandersetzung ein und veröffentlichte jetzt eine Broschüre in Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Fabiana Kutsche, Dr. Stefan Cramer, Dr. Friedhart Knolle, Brigitte Maniatis und Martin Struck trugen biografische Daten, Dokumente zur Einordnung des eins geehrten Offiziers und auch eine Chronologie des Widerstandes gegen das Denkmal wie auch gegen die nach Wissmann benannte Straße zusammen. „Er gilt als Afrika-Forscher, aber er ist gewiss kein Afrika-Forscher“, sagt Dr. Friedhart Knolle sehr deutlich.
Wissmann zeichnete sich durch große Brutalität in seiner Zeit als Kolonialbeamter in den deutschen Kolonien Ostafrikas aus, wurde Ehrenmajor und in den preußischen Adelsstand versetzt, doch noch zu Lebzeiten fallen gelassen. Zu seiner Zeit ließ er Aufständler nach der Zwangskolonialisierung erhängen, so dass eine mindestens fünfstellige Zahl von Toten auf sein Konto gehe, so Knolle.
Dr. Stefan Cramer, der selbst viele Jahre in der Entwicklungshilfe und für politische Stiftungen in Afrika und anderen Erdteilen tätig war, zeichnet kein positiveres Bild des Geehrten. „In der deutschen Psyche hat sich die Kolonialzeit nie tief eingegraben“, sagt er. Wie auch in der Geschichte anderer Staaten sei Afrika ein „Tatort“ der Ausbeutung und des Mordes.
Wissmann wurde zwar als Afrikaforscher geehrt, habe aber nie wissenschaftlich publiziert, sondern lediglich subjektive Berichte verfasst. Stattdessen bereitete er die militärische Unterwerfung vor, sei jedoch auch kein großer Militär gewesen, sondern definitiv ein Kriegsverbrecher, der von vielen schon zu Lebzeiten als Söldnerführer bezeichnet worden war.
Anders als in späteren Darstellungen sei er auch kein Aktivist gegen Sklaverei gewesen, was seine Kooperationen mit arabischen Sklavenhändlern beweisen. Sein Engagement gegen die Sklaverei sei lediglich ein vorgeschobenes Argument zur Bewilligung öffentlicher Gelder gewesen, tatsächlich befreite er die Sklaven nicht, sondern ließ sie schlicht umbringen.
Einzig zugute zu halten sei ihm sein Einsatz für die Natur und die Wildtiere, denn er richtete erste Wildreservate ein, wodurch er den Ursprung heutiger Nationalparks schuf. Dies jedoch ging bei ihm, so Cramer, auf Kosten der Einheimischen, so dass sein Fazit nach der gemeinsamen Arbeit mit Fabiana Kutsche, die gebürtige Osteroderin und jetzt Doktorandin an der Universität Köln ist, sehr eindeutig ausfällt.
Bei der Präsentation der Broschüre in der KGS Bad Lauterberg ergänzte Brigitte Maniatis die zusammengetragenen Fakten mit einigen Passagen aus dem Roman „Nachleben“ des Literaturnobelpreisträgers Abdulrazak Gurnah, der die Lebensumstände ostafrikanischer Sklaven zur Zeit der deutschen Kolonialherrschaft aus Sicht eines kleinen Jungen schildert. Von Aufständen, die grausam niedergeschlagen werden, ist dort die Rede, von abgeschnittenen Köpfen und am Straßenrand am Galgen hängenden Leichen. All das erscheint so viel plausibler als die Jahrzehntelang geltende Erinnerungskultur, die mit dem Denkmal dokumentiert wird.