Ganz normale Paare - Teil 1
In den letzten Wochen hab ich ziemlich viele Texte über homosexuelle Paare geschrieben. Hat sich eben so ergeben. Ein Influencer-Paar als Tiotelstory für den Eseltreiber, für die Kirche über die erste Trauung zweier Frauen in unserem Kirchenkreis, über eine schwule "Promihochzeit". Eigentlich ganz normale Texte über ganz normale Leute. Dennoch war ich von einigen Fakten, die ich bei der Recherche zu hören bekommen habe, und auch von manchen Reaktionen überrascht. Doch erst einmal möchte ich euch die Texte präsentieren, den ersten über Luke und Ferhat, die als "Justanormalcouple" in social media bekannt sind:
Luke und Ferhat sind ein Paar. Ein ganz normales Paar. Als „Justanormalcouple“ sind sie auf Instagram, TikTok und Youtube präsent und haben dort tausende Follower. Dabei tun sie eigentlich gar nichts anderes als ihren Alltag zu dokumentieren, einen Alltag als schwules Paar, der für viele offenbar doch nicht so normal ist, wie wir uns das für unsere Gesellschaft wünschen.
In ihren Videos thematisieren sie genau das. Zum einen ihre Ehe und unterschiedliche gemeinsame Erlebnisse, zum anderen die Skepsis von außen, dass eine homosexuelle Beziehung ja ohnehin nicht lange halten könne bis hin zu klaren Anfeindungen. Vorwürfe kämen von Leuten, die nichts mit gleichgeschlechtlichen Paaren zu tun haben, aber nicht nur. „Leider kommt sowas aus beiden Ecken, ich glaub sogar aus der Szene sogar noch ein Stück mehr“, sagt Luke.
In den Kommentaren werde die Meinung von manchen Menschen sehr deutlich, sagen sie, was sie anfangs wirklich schockierte. „Anfangs dachten wir noch: Warum sind die denn so gemein“, erzählen sie, „doch jetzt sitzen wir meist mit 'ner Tüte Chips auf dem Sofa und lesen es uns in aller Ruhe durch.“
Schön, wenn sie mit Hasskommentaren so entspannt umgehen können, doch das macht die Sache an sich nicht besser. Immerhin wurden es sogar Morddrohungen formuliert, erzählt Ferhat, oft heiße es „wir wissen, wo du wohnst“ oder etwas in der Art, was diese Leute damit bezwecken wollen, wissen sie nicht. Statt ihren genauen Wohnort in den Videos kenntlich zu machen, sagen sie inzwischen nur noch, dass sie im Harz leben, ein bisschen Vorsicht schwingt eben doch immer mit, weil man ja nie wissen kann, wer die Kommentarschreiber sind und welche Absichten sie haben.
Positive Reaktionen gab es zum Glück aber auch von Anfang an, also jene, die es mutig finden, dass beide ihre Liebe in einer Öffentlichkeit im Netz dokumentieren. Meist sind auch das fremde Menschen, die sie auf den Plattformen entdecken und ihnen dann folgen. „Unsere Freunde und Bekannten sind eher so die Stillen“, sagt Luke. „Genau, die fragen zwar mal, wie es läuft, wenn wir uns sehen“, ergänzt Ferhat, „aber die richtig positiven Reaktionen bekommen wir von sozusagen 'Harcorefans'.“
Das sind jene, die ihren Alltag in den Videos in kleinsten Schritten mitverfolgen, die viele Fragen stellen und darauf natürlich antworten bekommen, die die beiden Jungs aus dem Internet also sozusagen in ihren eigenen Alltag mitnehmen. „Es wird immer schwieriger, aber wir beantworten jede ernstgemeinte Nachricht“, sagen beide, denn schließlich wollen sie ihren Zuschauer*innen ja etwas mitgeben, ihnen vielleicht auch in gewisser Weise ein Vorbild sein.
Allein der Name „Justanormalcouple“ hat ja schon eine Message, genau die wollen sie auch verbreiten, dass es eben völlig normal ist, wenn zwei Männer sich lieben, sie eben ein normales Paar sind und so auch wahrgenommen werden wollen, genau wie sie auch anderen wünschen, dass es ihnen so geht. „Luke kam auf den Titel“, räumt Ferhat ein, „er ist da echt der Kreativere.“
Als beide sich kennenlernten, hatten sie zunächst kein Interesse aneinander, berichten sie weiter, später änderte sich das dann zum Glück doch, es entwickelte sich zuerst eine Freundschaft. Als dann eigentlich geplant war, dass Luke von Göttingen nach Köln zieht, lief auf einmal alles in andere Bahnen, beide merkten, wie wichtig ihm der andere war, aus Freundschaft war Liebe geworden.
Sechs Jahre ist das nun her, Ferhats Familie war anfangs ziemlich geschockt, denn er war zu diesem Zeitpunkt ungeoutet und für seine Eltern war es eine völlig neue Welt. „Meine Eltern sind hier geboren und so deutsch wie ich“, erläutert er, „aber es hat trotzdem seine Zeit gebraucht.“ Bis heute gebe es immer mal wieder Punkte, in denen es zu Reibereien kommt, doch er ist überzeugt, den richtigen Weg gegangen zu sein bzw. zu gehen.
„Es ist was anderes als sie für ihren Sohn erwartet haben, aber wir sind ja trotzdem normal“, bekräftigt Luke. Stimmt ja auch, denn sogar Enkelkinder könnten irgendwann kommen. „Wir wollen auf jeden Fall Kinder“, schneidet Ferhat das Thema an. Luke hat den Wunsch ebenfalls. Vielleicht nicht sofort, aber irgendwann soll es so sein.
Sie sind sich dessen bewusst, dass es deutlich schwerer als bei Heteropaaren ist, ein Kind zu adoptieren. „Wenn du ein Kind adoptierst, kommt das Jugendamt und stellt dir deine Bude auf den Kopf, bei uns wird eben dreimal so gründlich geguckt“, sagt Ferhat. Es gebe viele, die sich von diesen bürokratischen Hürden abschrecken ließen, weiß er, auch in den Ämtern gebe es viel Homophobie.
„Das ist noch viel Arbeit“, bedauert Luke. Auch das sei ein Grund, warum sie mit social media angefangen haben, sagen sie, um solche Dinge Menschen näherzubringen, um auf einiges aufmerksam zu machen, was in unserer modernen Gesellschaft eben doch noch nicht zufriedenstellend läuft. „Viele sagen: sprecht doch nicht so viel darüber, dann stört es auch keinen“, sagt Ferhat, „Nein, genau das Gegenteil ist der Fall. Je häufiger ein homophober Mensch einem homosexuellen Paar begegnet, desto mehr wird es normal für ihn.“
Fortsetzung folgt...