Boris auf dem Basar

Boris Pistorius wird Bundesverteidigungsminister - Teil 3

Wenn ich das richtig sehe, schulde ich euch noch den letzten Teil meiner Begegnung mit Boris Pistorius in der Erstaufnahmestelle. Die Geschichte muss ja noch ihr würdiges Finale finden oder eben die Erklärung, warum mir dieser Tag so in Erinnerung geblieben ist. Hier kommt es also:

 

 

In der Konferenz sprach Boris Pistorius dann über die 600 Plätze, die es in der Unterkunft eigentlich gab und über die 850 Menschen, die zu jenem Zeitpunkt im Spätsommer 2014 dort lebten. Doch er verwehrte sich gegen die Aussage, das Boot sei voll und plädierte stattdessen für mehr Geld für die Aufnahme von Flüchtlingen und eine Erweiterung der Aufnahmekapazitäten, um die auf uns zukommenden Engpässe wenigstens einigermaßen in den Griff zu bekommen. Vor allem sollten die Kommunen vom Bund mehr unterstützt werden, da sie diejenigen seien, bei denen sich steigende Flüchtlingszahlen am deutlichsten bemerkbar machen. Dazu müssten dann eben auch ein paar Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht werden.

 

Damals war Pistorius einer der ersten, zumindest aber einer der entschlossensten Politiker, die so argumentierten. Auf große Resonanz trafen seine Forderungen bekanntermaßen nicht. Heute frage ich mich immer noch, warum die Politik nicht schon viel früher reagiert hat, nicht schon viel früher weitere Flüchtlingsunterkünfte geschaffen hat und vor allem nicht viel mehr in Bewegung setzte, um den Bürokratiestau bei den Asylanträgen und bei den elementaren Voraussetzungen für die Integration in unserem Land abzubauen. Hätte das nicht von Anfang an viel mehr Bereitschaft in der Bevölkerung geschaffen, die Entscheidungen mitzutragen?

 

 

Nach der Pressekonferenz machte ich mich jedenfalls schnell auf den Weg zu unserem Basar, wo mittlerweile großer Andrang herrschte. Ich möchte fast sagen, die Kleidung wurde den Damen aus der Hand gerissen, doch das stimmt einfach nicht. Die meisten Menschen aus aller Herren Länder hielten geduldig die Hand auf, lächelten und bedankten sich wortreich in Sprachen, die wir nicht verstanden. Viele von ihnen nahmen die Klamotten genau unter die Lupe, untersuchten, ob sie passten und gaben sie anderen, wenn das nicht der Fall war. Mich rührten vor allem die großen Kinderaugen, die leuchteten, wenn sie Kuscheltiere oder anderes Spielzeug in die Hand gedrückt bekamen.

 

Minister Pistorius gab währenddessen den Fernsehleuten ein paar schnelle Interviews, dann kam er tatsächlich zu unserem Stand herüber. Und er nahm sich sogar Zeit, einige Worte mit den Damen zu wechseln. Frau B. erzählte von ihrer Erfahrung mit den Asylanträgen und fragte, warum der Staat den Flüchtlingen dafür nicht einen Begleiter zur Seite stellen könne. Leider gebe es dafür kein Geld, antwortete Pistorius sinngemäß, die Flüchtlinge seien grundsätzlich auf sich allein angewiesen. „Deshalb ist es ja so wichtig, dass es ehrenamtliche Helfer wie Sie gibt.“

 

 

Vielleicht war es dieser Moment oder vielmehr diese Erkenntnis, die mir zeigte, dass das, was diese Gemeinde und andere taten, keinesfalls ein Selbstzweck war. Vielmehr war es der wichtigste Baustein, um ein programmatisches „Wir schaffen das“ Wirklichkeit werden zu lassen. Selbst wenn der Staat Flüchtlinge aufnimmt und sie damit vor Krieg, Hunger und Verfolgung bewahrt, ist das immer nur der erste Schritt. Der zweite besteht darin, ihnen einen wirklichen Neuanfang zu ermöglichen. Und der kann nur gelingen, wenn zu den offensichtlichen Voraussetzungen auch die weniger sichtbaren hinzukommen.