Ist Harry Potter transphob?

Das schwere Vermächtnis der Frau Rowling

 

Das Spiel „Hogwarts Legacy“ erscheint am kommenden Freitag und sorgt schon seit Wochen für Schlagzeilen. Weil es im Harry Potter-Universum spielt und weil dessen Schöpferin J. K. Rowling sich seit längerer Zeit immer wieder kritisch gegenüber Transpersonen äußert. Für viele steht nun die Frage im Raum, ob das Spiel aufgrund der transphoben Haltung der Autorin boykottiert werden sollte.


Das Thema ist so viel komplexer als diese eine Fragestellung. Es fängt damit an, dass Rowling nicht gegen Transmenschen an sich wettert, sondern vor allem behauptet, das biologische Geschlecht sei nun einmal ein Fakt. Das brachte ihr in der öffentlichen Diskussion die Bezeichnung „TERF“ ein, Trans-Exclusionary Radical Feminism, also eine radikale Feministin, die Transfrauen nicht als Frauen ansieht. Mit verschiedensten Äußerungen auf Social Media befeuerte die Autorin die Diskussion immer wieder, was auch immer wieder aufgegriffen wurde.


Hierzu bleibt festzustellen, dass das Transgender-Thema in der öffentlichen Diskussion noch relativ jung und damit für viele Menschen ein völlig unbekanntes Feld ist. Durch das Gendern und insbesondere das Sternchen, das explizit non-binäre Menschen einbeziehen soll, ist es auch bei uns immer wieder präsent, wenn es um Sprache und Diskriminierung gilt.

 

 

Da es eben eine noch relativ junge Diskussion ist, möchte ich an dieser Stelle klarstellen, dass auch ich längst nicht genug darüber weiß, um es kompetent aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und mich daher lediglich als Sprach- und Literaturwissenschaftler herantaste. Das aber möchte ich auf jeden Fall tun, weil es mir wichtig erscheint und offenbar ja auch für sehr viele Menschen ein Reizthema ist.


Letzteres wurde in der vergangenen Woche besonders deutlich, als der Streamer Gronkh auf Twitch ankündigte, er wolle „Hogwarts Legacy“ nach Release spielen. Allein das brachte ihm harsche Kritik ein. Vermutlich werde er aufgrund der Brisanz einen Spendenstream daraus machen und Geld für eine Organisation für die Rechte von Transmenschen sammeln, führte er aus. Da er dennoch weiter angefeindet wurde, stellte er klar, dass es ihm keinesfalls darum gehe, J. K. Rowling zu unterstützen oder ihrer Meinung eine Plattform zu bieten (zumal sie mit dem Spiel an sich nichts zu tun habe), diese Frau sei ihm egal.


Genau dieser letzte Satz, dass J. K. Rowling in seinem Leben keine Rolle spiele, wurde wiederum auf Social Media aufgegriffen, wo ihm verschiedene Menschen nun eine transphobe Haltung unterstellten. Wem Transpersonen egal sind, fördere damit die Diskriminierung, so die Argumentation. Twitter brannte förmlich, aber gut, Twitter brennt ja eigentlich immer.


Interessant an dieser Episode ist, welche großen Kreise eine kleine Äußerung plötzlich ziehen kann, wie viel zwischen den Zeilen doch immer wieder interpretiert wird, wovon Menschen sich angegriffen bzw. getriggert fühlen und dass es letztlich vor allem jene waren, die ohnehin gegen Transmenschen hetzen, die sich nun bestätigt fühlten. Warum? Weil die ja schlicht alles nutzen, um sich als Opfer darzustellen... oder so ähnlich.

 

 

Aus Sicht des Sprachwissenschaftlers möchte ich nun hierzu anmerken, dass unsere Sprache sich immer schon parallel zur Gesellschaft entwickelt, also in einem stetigen Wandel ist. Immer mal wieder werden solche sprachlichen Entwicklungen in ein Regelwerk gegossen, aber vor allem bildet sie uns Menschen ab, unsere Gesellschaft und damit auch alles, was für diese Gesellschaft ein Thema ist.


Wenn nun gesellschaftlich darüber diskutiert wird, ob Frauen benachteilig werden und ob das auf homosexuelle Menschen noch mehr und auf Transpersonen am allermeisten zutrifft (ja, die Darstellung ist verkürzt), dann schlägt sich das auch immer in der Sprache nieder. Es ist somit kein Wunder, dass in den vergangenen Jahren über die Sichtbarkeit weiblicher Berufsbezeichnungen oder auch über das Gendersternchen diskutiert wird. Welche Formen sich letztlich durchsetzen, wird allein die Zukunft zeigen.


Dass diese sprachlichen Unklarheiten diskutiert werden, ist gut und richtig. Nur so kann sich Sprache entwickeln, nur so kann sich auch eine Gesellschaft entwickelt, weil die letztlich auch durch ihre Sprache geprägt wird. Warum solche Diskussionen aber oft derart verbittert geführt werden, erschließt sich mir nicht. Warum sich Menschen durch ein Sternchen persönlich angegriffen fühlen, kann ich schlicht nicht nachvollziehen.

 

 

Aus literaturwissenschaftlicher Sicht geht es bei „Hogwarts Legacy“ um die Frage nach der Trennung von Werk und Autor. Lässt sich beides unabhängig voneinander betrachten? Ganz klar ja. Solange das Werk nicht eindeutig die Ideologie der Autor*in bedient, kann es erst einmal für sich stehen.


Auf der anderen Seite kann eine gewisse Haltung selbstverständlich auch so schwer wiegen, dass es subjektiv nicht mehr möglich ist, ein Werk zu mögen, wenn die Autorin oder der Autor eine Haltung vertritt, die ich so gar nicht teile. Allerdings glaube ich, dass wir mit solchen strikt ablehnenden Urteilen vorsichtig sein müssen, erst recht in einem Fall, in dem die Autorin (Rowling) mit dem Werk (Hogwarts Legacy) direkt kaum noch etwas zu tun hat.


Wenn ich nämlich anfange, alles zu boykottieren, an dem jemand beteiligt ist, dessen Meinung zu irgendetwas nicht gefällt, dann bleibt am Ende nicht viel übrig. Müsste ich dann nicht auch Disney boykottieren, weil Walt so gar kein Problem mit den Nazis hatte?


Genau diese letzte Frage stellte ich kürzlich auch auf einer Plattform im Netz und bekam zu meiner Verwunderung folgende Antwort: „Was du findest finden andere ganz anders und wer gibt dir das Recht zu sagen daß es anders empfunden werden muss. Dein empfinden ist deins und das andere das andere. Wenn mir bei Transen schlecht wird und dich das aufgeilt kannst du mir das nicht aufzwingen weil wer bist du? :) Kapiert?!“ Nee, hab ich nicht kapiert.