Klimaschutz vs. Kultur

Die Letzte Generation und ich - Teil 1

 

Als damals die Meldung in allen Medien auftauchte, Klimaaktivist*innen hätten Tomatensuppe auf ein Van Gogh-Gemälde geworfen, war ich entsetzt. Klar, Klimaschutz ist wichtig und geht uns alle an. Bei Protestmärschen von Fridays for Future war ich dabei und habe berichtet, ebenso als Extinction Rebellion sich vors Rathaus kettete. Aber bei der Zerstörung von Kunst hörte meine Solidarität definitiv auf.


Nun könnte ich erzählen, dass mir auch die – wohlgemerkt neutral geschriebenen – Artikel über Fridays for Future oder Extinction Rebellion schon Kritik einbrachten, aber das ist eine andere Geschichte. Auf jeden Fall habe ich zu Klimaaktivist*innen eine klare Meinung, nämlich eine sehr positive. Es ist wichtig, die Bevölkerung und vor allem die Politik immer wieder an die Probleme zu erinnern, schließlich geht es um nicht weniger als unsere Zukunft.


Immerhin sehe ich inzwischen selbst bei uns die Auswirkungen von besorgniserregender Trockenheit und in immer kürzeren Abständenauftretenden Jahrhundertstürmen und so weiter. Der Harz ist verglichen mit dem Zustand vor einigen Jahren nicht wiederzuerkennen, die Ausbreitung des Borkenkäfers eindeutig auf die viel zu trockene Sommer zurückzuführen, zudem haben Stürme immer wieder Bäume auf riesigen Flächen abknicken lassen, weil die Böden einfach keinen Halt mehr bieten. Eindeutig Folgen der Monokultur, ja, aber eben auch des Klimawandels, wie Experten sagen. Ich sehe also live und in Farbe, was wir gerade mit unserer Welt machen.

 

 

Andererseits gehöre ich nun mal der schreibenden Zunft an, liebe Literatur, räume der Kunst den höchsten Stellenwert menschlicher Kultur ein. Ohne Kunst, ohne kreatives Schaffen wären wir nicht dort, wo wir heute sind.


Das klingt jetzt alles so unglaublich ernst und ist es ja im Grunde auch. Was ich aber sagen will, ist, dass die Kunst für mich letztlich auch das ist, was uns als Menschen ausmacht. Es sind Kultstätten und religiöse Bauten, die über Jahrhunderte unsere Ehrfurcht vor Gott bekunden, es sind Malereien und Literatur, die unsere Kultur prägten und uns von der Antike über die Aufklärung bis in die heutige Zeit brachten, und ja, es sind auch Anime oder Videospiele, die uns zeigen, dass wir ab und zu der Realität entfliehen müssen, weil wir sie sonst nicht ertragen können. All das finde ich überlebensnotwendig.


Wenn nun also Klimaaktivismus und Kunst kollidieren, sehe ich das als Problem und im Falle der Farbattacken auf Bilder eindeutig als eine Form des Protests, die zu weit geht. Gut, hinterher kam dann raus, dass die Gemälde hinter Glas waren und die Aktivist*innen das wussten. Das relativiert meine Ablehnung ein wenig, aber nicht vollkommen.

 

 

Noch etwas später machte die Letzte Generation dann ja von sich reden, indem sie sich auf Straßen klebten und den Verkehr kurzfristig zum Erliegen brachten. Auch das fand ich nicht wirklich gut, vor allem nicht, da es ja Medienberichte über im Stau stehende Rettungswagen und vieles mehr gab. Trotzdem war ich mir in diesem Fällen schon nicht mehr ganz so sicher, ob das nicht doch eine Form des zivilen Ungehorsams ist, der die Regierung endlich dazu bringen kann, sich wirklich mit Maßnahmen gegen den Klimawandel und die Einhaltung der eigenen Versprechen zu befassen.


Vor allem waren es diejenigen, die am lautesten gegen die Letzte Generation wetterten, die mich immer wieder dazu brachten, mich mit deren Protestformen auseinanderzusetzen. Es waren Konservative und Rechte in der Politik, populistische Medien und eben auch Klimaleugner*innen, die allen nur erdenklichen Blödsinn über die Aktivist*innen in die Welt setzten.


Aus alldem erwuchs mein Wunsch, endlich mal selbst mit einem Mitglied der Letzten Generation zu sprechen. Also schrieb ich eine Mail und bekam wenige Tage später einen Anruf von Basti. Er ist Student in Göttingen, erzählte er, habe sein Studium aber gerade auf Eis gelegt, um sich auf die Straße zu kleben. So sagte er es natürlich nicht, es trifft aber den Kern. Auf jeden Fall eine interessante Gelegenheit, mehr zu erfahren, so dass ich ein Interview mit ihm vereinbarte.

 

Fortsetzung folgt...