„Freiheit hat mit unserem täglichen Verhalten zu tun“

Wolfgang Huber referierte über Freiheit und Digitalisierung

 

„Wenn wir über Ausländer debattieren, sollten wir uns bewusst sein, dass wir nichts dazu beigetragen haben, hier geboren zu sein“, sagte Wolfgang Huber, Theologe und ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die Umstände, unter denen wir leben, sind ja nun mal nicht von uins gemacht. Außerdem  mache die Bibel schließlich schon auf ihrer ersten Seite deutlich, dass wir alle nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind.

 

Im Rahmen des Göttinger Literaturherbstes war Wolfgang Huber in einer Schule in Hattorf zu Gast. Sein Publikum bestand somit überwiegend aus Schüler*innen, was diese Lesung besonders machte. Zunächst einmal freute sich der Schulleiter über den Besuch, ebenso wie der Theologe, der es zu schätzen weiß, wenn Jugendliche sich mit einem solchen Thema auseinandersetzen. Immerhin ist es ja durchaus komplex, insbesondere für eine solche Veranstaltung.

 

„Zu den Eigenheiten der Freiheit gehört es, dass sie ein Gefühl ist“, hielt er grundsätzlich fest. Daher kann sie unterschiedlich aufgefasst, empfunden und definiert werden. Seiner Ansicht nach sind wir frei, wenn wir die Urheber unseres Willens sind, wenn wir selbst Entscheidungen treffen und auch die Verantwortung dafür tragen. Damit hat Freiheit drei Aspekte, zum einen die Gestaltung des eigenen Lebens, dann die Verantwortung für andere und letztlich auch eine Ordnung des Gemeinwohls.

 

 

Das sei sein Zugang zum Thema Freiheit, verbunden mit der Überlegung, dass wir wohl aber unserem Leben eine Richtung geben können, viele Dinge also selber bestimmen. Daraus resultiert ein Gleichgewicht zwischen eigener Freiheit und der Freiheit anderer, das wir wahren sollten. Die würde einer und eines jeden müsse in einer Gesellschaft geachtet werden, es ist wichtig, dass Menschenrechte gelten. Gesellschaftlich gesehen, aber auch sehr persönlich. „Freiheit hat mit unserem täglichen Verhalten zu tun“, formulierte Huber.


Im zweiten Teil ging er auf das Thema Digitalisierung ein, die natürlich viele Möglichkeiten eröffnet, aber auch Gefahren für unser Zusammenleben mit sich bringt. Ist sie die neue Freiheit oder letztlich doch das Ende der Menschheit als Krone der Schöpfung. Zumindest gibt es die Gefahr, dass Algorithmen uns unfrei machen, dass wir uns eine neue, künstliche Macht schaffen, die unser Leben am Ende zu sehr bestimmt.


Der Theologe ging dabei auf literarische Science Fiction ein, die solche Szenarien häufig erschreckend gut aufzeigt, wurde aber auch sehr persönlich, indem er erzählte, wie soziale Medien etc. auch für ihn schlicht Zeitfresser sind. Noch dazu zwingen sie uns, zur Öffentlichkeit, wir müssen oft mehr Persönliches im Netz preisgeben, als uns eigentlich lieb ist. Bewusst durch den Drang, in der geschönten Onlinewelt mithalten zu können, aber auch unbewusst durch Daten, die im Hintergrund abgegriffen werden.

 

 

Zudem eröffnet die Digitalisierung viele Türen zur Manipulation und letztlich dazu, bestehende Ordnungen und auch die Gesellschaft zu ändern. Was wie eine Ausweitung der individuellen Selbstbestimmung wirkt, macht in letzter Konsequenz oft unfrei, so Huber.


Gerade über diese letzten Punkte wurde im Anschluss noch lange diskutiert. Es wurde ein reger Austausch zwischen den ethischen Ansichten eines sehr klugen und weitsichtigen Theologen, einigen Erfahrungen und Anmerkungen verschiedenster Zuhörer*innen und eben auch den sehr unmittelbaren und oft in öffentlichen Diskussionen zu kurz kommenden Gefühlen und Sichtweisen der Jugendlichen.

 

Obwohl ich als Journalist dort war, also eigentlich nur neutral berichten wollte, konnte ich es mir nicht verkneifen, mich in der Diskussion zu äußern. In der Kürze der Zeit nämlich fand ich Hubers Darstellung der Digitalisierung zu negativ. Gerade in meinem Job erachte ich es als ungeheuren Zugewinn für unsere Gesellschaft und somit auch unsere Freiheit, dass inzwischen jede*r die Möglichkeit hat, sich im Netz zu äußern, dass Journalismus prinzipiell nicht mehr abhängig von Zeitungen und Verleger*innen ist.

 

Sicher, das fordert uns Journalist*innen heraus. Jeder darf sich mit dieser Berufsbezeichnung schmücken, auch wer nur auf Telegram Fake News oder verschwörerische Parolen teilt. Dennoch erachte ich die Entwicklung im Netz letztlich als eine Demokratisierung von Informationen, natürlich mit allen Problemen, die es zu regeln gibt, aber erst einmal auf jeden Fall einen Schritt zu mehr Freiheit und möglicher Beteiligung an gesellschaftlichen Prozessen. Zu gerne würde ich darüber noch einmal ausführlich mit Wolfgang Huber diskutieren, denn am Ende schloss er mit einem Satz, den ich so auch unterschreiben kann: Die digitale Entwicklung selbst sei nicht gut oder böse, „es hängt am Gebrauch.“