Spitze Nadeln, harte Kerle und zarte Seifenblasen

Soll ich mir ein Tattoo stechen lassen?

 

Habt ihr Tattoos? Manchmal komme ich mich richtig nackt vor, weil meine Haut noch „jungfräulich“ ist. Gefühlt trägt doch inzwischen jeder ein Motiv mit sich herum, das den Charakter unterstreichen oder besondere Erfahrungen im Leben in einem Bild festhalten soll. Tattoos sind Kunst auf der Haut, sind Lifestyle, sind für manche sogar eine Art Sucht.


Wäre ich damals bei meinen Eltern auch nur mit dem Wunsch angekommen, ein Tattoo haben zu wollen, hätte ich für nichts mehr garantieren können. Daher habe ich auch nie wirklich darüber nachgedacht, außer vielleicht nach dem Tod meiner besten Freundin Ari, wo ich überlegte, ihren Namen auf meiner Haut zu verewigen. Letztlich habe ich es nicht getan, da ich sie ja nun mal im Herzen eintätowiert habe.


Wie auch immer, zum ersten Mal fand jetzt in Northeim eine Tattoo Convention statt und ich hatte den Auftrag, darüber zu berichten. Insgesamt 26 Messestände in der Stadthalle, die von mehreren hundert Menschen besucht wurden. Allerdings kamen viele nicht nur her, um sich umzusehen, sondern hatten im Vorfeld bereits Termine gemacht oder begaben sich sogar spontan in die Hand der Künstlerinnen und Künstler, um sich ein neues Tattoo stechen zu lassen.


Für die meisten ist es nicht das erste Mal. Da ist zum Beispiel Jessica aus Hannover, die sich von Lany Davies bereits zum siebten Mal verschönern lässt. Beide lernten sich auf der Tattoo Convention – die Messe ist zwischen Hannover und Coburg, Gummersbach und Gelsenkirchen unterwegs – kennen und sozusagen lieben. „Sie folgt mir auf die Conventions und verfolgt mich inzwischen auch privat“, sagt Lany Davies scherzhaft.

 

 

Dabei hat Jessica erst im April ihr erstes Tattoo stechen lassen, seitdem sind immer neue hinzugekommen. „Wir sind auf einer Wellenlänge“, sagt sie, meint damit die Kunst als solche, aber auch das Vertrauen darin, dass die Künstlerin absolut versteht, was sie sich wünscht, und auch beim Stechen selbst. Zwischen beiden ist eine Freundschaft entstanden, über die sie locker plaudern, während Lany dabei das neueste Motiv vollendet.


Einige Stände weiter sucht Horst (er ist Pastor in Osterode) nach einem ganz bestimmten Tätowierer. Nämlich jener, der ihm kürzlich erst den Fuchs auf seinem Arm gestochen hat. Die Schnauze des Tieres ist nicht ganz so, wie sie sein sollte, es fehlt ein einziger kleiner Strich. Leider fehlt auch der Künstler, doch ein Kollege, der die Arbeit kennt, nimmt sich der Sache an und so wird der Fuchs kurzerhand perfektioniert.


Auf der Bühne sorgen derweil Attixx aus Höxter mit Rock-Coversongs für die passende Eventstimmung, anschließend zeigt Anastasiya, was man mit Seifenblasen alles machen kann. Auch das Rahmenprogramm ist nu einmal wichtig.

 

 

Das Tattoostudio Fateful Ink aus Göttingen hat die Tattoo-Künstlerin Velary aus Polen zu Gast am Stand. Sie hat sich gleich den gesamten Rücken eines Kunden vorgenommen. Eine solche Arbeit dauert Stunden, erfordert Durchhaltevermögen ihres Kunden und ihrerseits natürlich volle Konzentration. Mit Kopfhörern ist es aber eben auch auf einer Convention durchführbar. Ein Kranich entsteht, mutet japanisch an.


Bei den Yakuza haben Tattoos traditionell eine große Bedeutung, stehen für Gruppenzugehörigkeit und Rang. Aber auch bei den alten Ägyptern gab es vor über 5000 Jahren schon Tätowierungen und auch die Gletschermumie Ötzi hat wohl 61 verschiedene Tattoos. Es ist also kein Phänomen unserer Zeit, sondern schon immer und in vielen Kulturen Ausdruck der Individualität oder sakrales Symbol oder was auch immer.


Trotzdem gehe ich selbst so unverziert von der Convention, wie ich gekommen bin. Diesmal noch nicht. Obwohl ich wieder einmal an den Wunsch von damals, mir Aris Namen verewigen zu lassen, denken musste. Meine Eltern würden mir vermutlich auch heute noch eine Gardinenpredigt halten. Allein das wäre es eigentlich wert, oder?