In den Weiten des Weltalls

Die drei ??? und der telepathische Oktopus - Teil 2

 

„Chimera“ beginnt mit einer Reise durchs All, bei der die Besatzung eines Raumschiffs pflanzliches und tierisches Leben suchen und sammeln soll, um es dann auf der Erde teuer zu verkaufen. Als sie auf dem Mond eines fremden Planeten Leben orten, steuern sie diesen an und stürzen dann aber ab, das Schiff erleidet einen Totalschaden, nur ein kleiner Teil der Besatzung überlebt die Katastrophe.


Zum Glück aber auch der Überlebensexperte Ares, der an Bord zunächst von allen belächelt wurde, da die Raumfahrt ja ach so sicher ist, auf den sich jetzt aber alle stürzen, weil er ihre einzige Hoffnung hier zu sein scheint. Blöd nur, dass Ares gar kein echter Überlebensexperte, sondern ein Hochstapler ist, der absolut keine Ahnung hat, was er jetzt hier auf diesem kargen Mond anfangen soll.


Auch überlebt hat die stellvertretende Kapitänin des Raumschiffs, auf die Ares heimlich steht, so dass er seine Tarnung beibehält und im Brustton der Überzeugung ansagt, was zu tun ist. Zu seiner eigenen Überraschung funktioniert das sogar. Sie richten sich in dem Wrack, so gut es geht, ein, rationieren Wasser und Nahrungsvorräte und schicken immer wieder Erkundungstrupps in die scheinbare Wüste.

 

 

Bald schon entdecken sie eine Art Oase voller seltsamer Pflanzen, die aber bei ihrer ersten Erkundung eine halluzinogene Wirkung auf sie haben. Später entdeckte Ares inmitten dieser Oase dann ein Wesen, das er niemals für möglich gehalten hätte: eine Art Oktopus, der sich an seinem Kopf festsaugt und telepathisch mit ihm kommuniziert.


Damit versteht ihr jetzt den Anfang dieses Textes und ahnt vielleicht auch, was neben dem Survival-Aspekt den Reiz dieser Geschichte ausmacht. Es ist zum einen eine für Science-Fiction typische Erstbegegnung mit einer fremden Art, zum anderen die durchaus philosophische Frage, was mit mir passieren kann, wenn ich nicht mehr der alleinige Herrscher über meine Gedanken bin.

 

 

Die wahre Kunst besteht aber darin, diese Geschichte mit einer Leichtigkeit zu erzählen, die zum Teil durchaus an die Drei ??? erinnert, vielleicht auch, weil Ares in seinem manchmal unbeholfenen Tatendrang ein entfernter Nachfahre von Peter Shaw sein könnte. Zwar schrieb Christoph den Roman unter seinem Pseudonym Christian Montillon, das er auch für Perry Rhodan nutzt, dennoch meine ich, einen für ihn typischen, sehr direkten und authentischen Schreibstil herauslesen zu können.


Es ist eine locker erzählte Geschichte, die aber immer wieder in tiefe Fragen über das Wesen des Menschen, den freien Willen, Gut und Böse etc. abtaucht und dabei unfassbar spannend ist, weil nie klar ist, was als nächstes passiert. Dabei verzichtet Christoph auf all das, was ich bei Science-Fiction nicht mag, also auf allzu komplexe Herrschaftsverhältnisse und sei seitenlange Erläuterung ihrer Entstehung, auf technische Ausführungen, denen ich ohnehin nicht folgen kann, wenn ich kein Raketenwissenschaftler bin, und vor allem auf Belehrungen, wie ich den Text gefälligst zu verstehen habe.


Ja, für mich ist Christoph Dittert schon irgendwie eine literarische Chimäre. Auf der einen Seite dieser fast schon unscheinbare Typ, der Jugendbücher schreibt und sie mit kindlicher Begeisterung seinem Publikum nahebringt und sich dabei freut, wenn Simone Nowicki die quietschenden Reifen von Bobs Käfer mit einem alten Küchengerät untermalt. Und auf der anderen Seite jener Autor, der das gesamte seit 1961 bestehende Universum um einen Weltraumhelden im Kopf hat und dazu noch ganz eigene Welten, denen es keinesfalls an erzählerischer Tiefe fehlt.

 

 

Mit „Chimera“ hat er mich wieder einmal total gefesselt und über 400 Seiten meine Gedanken in verschiedenste Richtungen gelenkt. Aber vielleicht liegt es ja auch daran, dass ich selbst auch eine Art literarische Chimäre bin, einerseits journalistisch unter anderem für die Kirche schreibe und andererseits Horrorgeschichten auf Youtube vertone und Mitveranstalter eines Krimifestivals bin. Vielleicht sind es gerade solche Widersprüche, die Menschen interessant machen, so wie es auch die Brüche und unerwarteten Wendungen sind, die einer Erzählung die nötige Würze geben.


Ja, das ist jetzt alles sehr metaphorisch, aber ich liebe es einfach, wenn ein Buch mich einerseits so fesselt, dass ich die Welt drumherum nahezu ausblende, und andererseits meine Fantasie triggert, Gedankengänge anstößt, die bei mir noch weit über die eigentliche Geschichte hinausgehen. Das ist für mich die Magie von Literatur und auch der Grund, warum ich selbst schreibe. Und es ist auch etwas, was meiner Meinung nach uns Menschen als Spezies ausmacht. Die schöpferische Kreativität, verbunden mit der Fähigkeit, anderen unsere Gedanken so detailliert mitzuteilen und wiederum ihr Denken anzuregen.