Doppelte Fahrtzeit – doppelter Spaß

Warum das 49-Euro-Ticket so wichtig ist

 

In den vergangenen drei Wochen hatten 100% der Züge, mit denen ich gefahren bin, Verspätung. In zwei Dritteln der Fälle war ich sogar doppelt so lange unterwegs, wie ich es laut Fahrplan eigentlich hätte sein sollen. Sicher, das ist nur eine Stichprobe und gewiss keine repräsentative, aber Lust aufs Bahnfahren macht das auf jeden Fall nicht.


Um es zu erklären: Aktuell ist mein Auto in der Werkstatt, so dass ich versuchte, einige berufliche Termine per öffentlichem Verkehr wahrzunehmen. In ländlichen Regionen ist der ohnehin nicht besonders attraktiv, Verspätungen machen es da nicht unbedingt besser. Auf jeden Fall führte es bei mir dazu, dass ich intensiver nach Mitfahrgelegenheiten suchte, mir ein Auto von Freunden lieh oder sogar versuchte, die Termine online oder telefonisch zu erledigen.


Leider ist es auch nicht die erste Erfahrung dieser Art, die ich machen musste. Letztes Jahr nämlich hatte mein Auto schon einmal einen längeren Aufenthalt in der Werkstatt, nach einem Wildunfall musste eine neue Stoßstange her und es gab Lieferschwierigkeiten, die meine Geduld aufs Äußerste strapazierten... aber das ist eine andere Geschichte.

 

 

Jedenfalls hatte ich damals einige Termine in der weiteren Umgebung, musste häufiger vom Harz in Richtung Holzminden fahren und dabei feststellen, dass die Wege mit der Bahn unfassbar lang sind, weil sie im Zickzack-Kurs durch Südniedersachsen führen und ich immer wieder umsteigen und warten muss. Ein Gutes hatte die Sache aber, denn ich hatte ausreichend Zeit, etliche Lost Places, ehemalige Bahnhöfe, sehr genau und völlig ohne Zeitdruck zu erkunden.


Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass Züge auch im ländlichen Raum häufiger und besser aufeinander abgestimmt fahren. Gefühlt komme ich nämlich schneller von Hannover nach Frankfurt oder Berlin als von hier in kleine Orte im Nachbarlandkreis. Von Osterode nach Stadtoldendorf über Herzberg, Northeim und Kreiensen in mehr als zwei Stunden, wo es mit dem Auto gerade mal eine ist. Oder von Osterode nach Holzminden über Herzberg, Northeim, Bodenfelde und Höxter, wobei es nach Bodenfelde mit dem Bus, also Schienenersatzverkehr, geht. Und dann noch vom Bahnhof zum eigentlichen Ziel. Somit sind wir, die wir nicht in den Metropolen leben, unweigerlich aufs Auto angewiesen.


Dabei bin ich eigentlich ein großer Fan des öffentlichen Nahverkehrs. Damals in Osnabrück hatte ich gar kein Auto, weil in der Stadt alles innerhalb von 20 Minuten mit dem Bus erreichbar war, und in anderen Städten fahre ich unglaublich gerne U-Bahn. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass es eben praktisch ist, allerdings muss ich auch zugeben, dass mich U-Bahn-Stationen schon immer faszinieren, und dass es eigentlich nichts Spannenderes gibt, als Menschen in den Bahnen oder auf den Bahnsteigen zu beobachten und im Kopf zu fragen, woher sie wohl gerade kommen oder wohin sie wollen.

 

 

Um es auf den Punkt zu bringen: Wenn es möglich wäre, würde ich auch heute noch durchaus auf mein Auto verzichten können. Wäre gut fürs Klima und auch für den Geldbeutel. Naja, Letzteres zumindest, wenn die Politik sich dazu durchringt, andere Verkehrsmittel als das Auto endlich mal wirklich zu fördern oder zumindest nicht das 49-Euro-Ticket jetzt schon wieder abzuschaffen.


Ehrlich gesagt habe ich auch bis heute nicht verstanden, warum das 9-Euro-Ticket so schnell vom Tisch war, denn letztlich war das für mich damals tatsächlich ein Grund, das Auto ab und zu stehen zu lassen. Zumindest auf den Strecken, die keine extremen Umwege bedeuteten. Jedenfalls bin ich bis heute nicht überzeugt, dass das nicht finanzierbar sein soll, wenn bei jeder Krise, die wir haben, erstmal extrem viel Geld in die Autoindustrie gepumpt werden muss und die dann trotzdem noch schwächelt.


Grade in Zeiten wie diesen, in denen ein Umdenken in Sachen Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Mobilität dringend nötig ist und wir wissen, dass wir grundlegend etwas ändern müssen, verstehe ich nicht, warum unzählige Debatten geführt werden, ob Lithium-Batterien in E-Autos nicht ebenso schlecht für die Umwelt sind wie der CO₂-Ausstoß bei Verbrennermotoren, aber es in Sachen öffentlicher Verkehr immer nur bei Lippenbekenntnissen bleibt. Aber gut, vielleicht landen hier im Harzvorland ja bald die Flugtaxis, die gewisse Politiker schon vor Jahren angepriesen haben. Wenn die dann pünktlich kommen, nehme ich eben die.