„Mit den Mitteln der Vergangenheit können wir die Zukunft nicht erreichen“

Robert Habeck - der Underdog-Kanzlerkandidat?

 

Was für ein Land wollen wir sein? Eines, das immer schlecht gelaunt über Probleme jammert, oder eines, das nach Lösungen sucht? Mit dieser Frage begann Kanzlerkandidat Robert Habeck seine Rede in Göttingen. Ja, es ist der Wahlkampf der Grünen, aber es war auch eine Erklärung zum generellen Politikverständnis des Bundeswirtschaftsministers und Vizekanzlers.


Während viele Menschen zuvor vor der Stadthalle Schlange standen und auf Einlass warteten oder ihre eigene politische Agenda auf Transparenten kundtaten, besuchte Habeck erst einmal den REWE-Juniorcup in der Lokhalle. Die Wahlkampfveranstaltung eröffneten dann die lokalen Kandidatinnen Viola von Cramon und Karoline Otte.


Habeck wiederum schwärmte erst einmal vom Jugendfußball, den er auch bei seinem Sohn miterleben durfte. Der habe durch das Training gelernt, dass ein Spiel nur gemeinsam gewonnen werden kann. Durch eine ehrenamtliche Trainerin. „Das ist Kernarbeit der Demokratie“, stellte er heraus, denn in einer Gesellschaft gehe es nicht immer nur um bezahlte Tätigkeiten, nicht immer nur um Geld.

 

 

Solche Sozialkompetenz und die Begegnung im öffentlichen Raum seien das beste Mittel gegen eine gesellschaftliche Spaltung, in der jeder nur noch in seiner eigenen Bubble unterwegs ist. „Blasenbildung in der Gesellschaft ist nicht hilfreich“, sagte er und betonte, dass soziale Netzwerke eben kein öffentlicher Raum, sondern auf Gewinn ausgelegte Unternehmen seien.


Dort setze sich die Lüge schneller als die Wahrheit durch, denn so ticken Menschen, wovon der Populismus profitiert. „Wir müssen uns Regeln geben, dass nicht das Schlechteste immer gewinnt“, führte er aus. Wenn ein „Technologieadel“ (er meinte natürlich vor allem Elon Musk) die Welt bestimme, sei das nun einmal ein großes Problem, das Demokratien zerstört.


Die Alternative für ihn ist ein Europa, das sich auf Zusammenarbeit und seine Stärken besinnt. Die sieht er nicht im Wettbewerb um Dumping, bei dem Arbeitnehmer auf der Strecke bleiben, sondern in innovativen Ideen, Technologien und einer Politik, die die gesamte Gesellschaft profitieren lässt.

 

 

Das große globale Ziel dabei sei natürlich, die globale Erwärmung einzudämmen, und da sei Deutschland durch die Politik der letzten Jahre auf einem guten Weg. „Wir sind auf Kurs“, verteidigte er seinen Einsatz für erneuerbare Energien etc., wer jetzt eine Wende fordere, steuere wieder zurück in die Vergangenheit. Was jetzt in Sachen Klimaschutz und Zukunft auf den Weg gebracht ist, werde Früchte tragen, auch für die nachfolgenden Generationen.


„Mit den Mitteln der Vergangenheit können wir die Zukunft nicht erreichen“, unterstrich er und mahnte noch einmal, dass Populismus eine Gesellschaft nicht nach vorne bringe, er führe nur in eine autokratische Gesellschaft. Zukunftsweisend sei nur eine vielfältige, diskussionsfreudige Demokratie.


Ja, als Kanzlerkandidat sei er der „Underdog“, so schloss er, doch von seiner Politik überzeugt, weil es ihm um die Zukunft für dieses Land und die Menschen gehe.

 

 

Sicher, gerade diese letzte Aussage ist das oft von ihm zur Schau getragene Understatement, denn er mag weniger aussichtsreich sein als Friedrich Merz, ist aber nun mal immerhin jemand, der aus seiner Position in der aktuellen Regierung heraus Wahlkampf macht. Und überhaupt ist Robert Habeck ein Medienprofi, der weiß, wie er sich auf einer Bühne präsentiert.


Trotzdem war sein Auftritt rhetorisch gekonnt und inhaltlich strukturiert. In vielem kann ich ihm ohne weiteres zustimmen. Vor allem aber war es eine rein sachliche Wahlkampfveranstaltung. Eine, die politische Überzeugungen erklärte – nachvollziehbar erklärte – und eine Haltung wie Richtung andeutete.


Allein das ist in Zeiten von „Für das, was ihr wollt, müsst ihr nicht die AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU“ oder „Hitler war Kommunist“ und „Windmühlen der Schande“ ja schon ein Grund zur Freude. Sachlichkeit statt dummer Parolen ist etwas, was ich im politischen Diskurs (und besonders in social media) wirklich schmerzlich vermisse!


Besonders ein Punkt hat mich am Ende noch ziemlich nachdenklich gemacht, weil ich den so noch nie betrachtet hatte. Es ging um Wirtschaft bzw. um Schulden, die ein Land machen müsse. Und zwar, um Investitionen zu tätigen, da marode Brücken und Schulklos am Ende die größeren Schulden für die Gesellschaft seien. Das gilt vermutlich auch für eine Politik der Spaltung, der Hetze, der Suche nach Sündenböcken, die am Ende die Demokratie beschädigt. Diese Schulden müssen dann unsere Kinder und Kindeskinder zahlen.